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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Ich mein, hätte man mich gefragt, "Marcus, du wirst gleich zum allerersten Mal in deinem Leben mit einem Mädchen ins Bett gehen; würde es dich stören, wenn ich im gleichen Raum diese Atombombe zündete?", dann wäre meine Antwort ein beherztes, eindeutiges "NEIN" gewesen.
    Und doch: Dafür hörten wir auf.
    Sie zog mich zu sich heran, mein Gesicht eng an das ihre, und küsste mich, bis ich dachte, gleich ohnmächtig werden zu müssen; dann schnappten wir uns unsere Klamotten, hockten uns mehr oder weniger angezogen hinter unsere Tastaturen und Mäuse und machten uns auf den Weg zu Patcheye Pete.
    Die Presseleute konnte man leicht erkennen. Das waren die Anfänger, die ihre Charaktere wie stolpernde Besoffskis spielten, hin- und her-, rauf- und runterwankend versuchten, sich irgendwie zurechtzufinden, und gelegentlich die falsche Taste drückten, was dann dazu führte, dass sie Fremden ihre Ausrüstung ganz oder teilweise zum Tausch anboten oder sie versehentlich umarmten oder traten.
    Auch die Xnetter waren leicht zu erkennen. Wir spielten alle Clockwork Plunder, sooft wir etwas Freizeit hatten (oder keine Lust auf Hausaufgaben), und wir hatten ziemlich ausgefuchste Charaktere mit coolen Waffen und Sprengsätzen an den Schlüsseln hinten am Rücken, die jedem eine Ladung verpassen würden, der versuchte, uns die Schlüssel zu mopsen und uns leerlaufen zu lassen.
    Als ich auftauchte, erschien eine Systemstatusmeldung M1K3Y HAT PATCHEYE PETE'S BETRETEN - WILLKOMMEN, SWABBIE, HIER GIBT ES GUTE WARE FÜR FETTE BEUTE. Alle Spieler auf dem Monitor erstarrten, dann scharten sie sich um mich. Der Chat explodierte. Ich dachte kurz daran, auf Sprachsteuerung umzuschalten und mir ein Headset zu nehmen, aber angesichts dessen, wie viele Leute hier gleichzeitig zu reden versuchten, wurde mir klar, wie verwirrend das sein würde. Texte waren viel leichter zu erfassen, und dann konnten sie mich auch nicht falsch zitieren (hehe).
    Ich hatte die Örtlichkeiten vorher mit Ange ausgekundschaftet - es war super, mit ihr zusammen im Spiel loszuziehen, weil wir unsere Figuren gegenseitig aufziehen konnten. Es gab da einen erhöhten Punkt auf einem Stapel von Packungen mit Salzrationen; wenn ich mich dort raufstellte, konnte ich aus jedem Winkel des Marktes gesehen werden.
    > Guten Abend und herzlichen Dank Ihnen allen fürs Erscheinen. Mein Name ist M1k3y, und ich bin nicht der Anführer von was-auch-immer. Überall um Sie herum sind andere Xnetter, die ebenso viel wie ich darüber zu sagen haben, warum wir hier sind. Ich benutze das Xnet, weil ich an die Freiheit glaube und an die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich benutze das Xnet, weil das DHS meine Stadt in einen Polizeistaat verwandelt hat, in dem wir alle terrorismusverdächtig sind. Ich benutze das Xnet, weil ich denke, dass man die Freiheit nicht verteidigen kann, indem man die Bill of Rights zerreißt. Was ich über die Verfassung weiß, habe ich an einer Schule in Kalifornien gelernt, und ich bin aufgewachsen in einem Land, das ich um seiner Freiheit willen liebe.
    Wenn ich eine Philosophie habe, dann diese:
    > daß, um diese Rechte zu sichern, Regierungen eingesetzt sein müssen, deren volle Gewalten von der Zustimmung der Regierten herkommen; daß zu jeder Zeit, wenn irgend eine Regierungsform zerstörend auf diese Endzwecke einwirkt, das Volk das Recht hat, jene zu ändern oder abzuschaffen, eine neue Regierung einzusetzen, und diese auf solche Grundsätze zu gründen, und deren Gewalten in solcher Form zu ordnen, wie es ihm zu seiner Sicherheit und seinem Glücke am zweckmäßigsten erscheint.
    > Ich habe das nicht geschrieben, aber ich glaube daran. Das DHS regiert nicht mit meiner Zustimmung.
    > Vielen Dank.
    Ich hatte das am Tag zuvor geschrieben und immer wieder Entwürfe mit Ange ausgetauscht. Den Text einzufügen dauerte bloß eine Sekunde, aber jeder im Spiel brauchte einen Moment, um ihn zu lesen. Eine Menge Xnetter jubelten, wilde exaltierte Piraten-Hurras mit emporgereckten Säbeln und Papageien, die ihnen krächzend um die Köpfe flatterten.
    Nach und nach verdauten auch die Journalisten das Gelesene. Der Chat raste nur so an uns vorbei, so schnell, dass es kaum zu lesen war; etliche Xnetter schrieben Sachen wie "Auf gehts", "Amerika: Wenn du es nicht liebst, dann verschwinde", "Weg mit dem DHS" und "Amerika raus aus San Francisco", alles Slogans, die in der Xnet-Blogosphäre angesagt waren.
    > M1 k3y, ich bin Priya Rajneesh von der BBC. Sie

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