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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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In meinem Blog führte ich eine neue Kategorie für diese Sachen ein, MissbrauchVonBefugnissen, und sortierte alles ein. Ange überlegte sich immer noch mehr Suchbegriffe, die wir ausprobieren könnten, und als ihre Mutter heimkam, hatte meine neue Kategorie schon siebzig Einträge, allen voran der Angriff auf General Geist vor City Hall.
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    Den ganzen nächsten Tag über arbeitete ich daheim an meinem Beatnik-Aufsatz, las Kerouac und surfte im Xnet. Eigentlich hatte ich Ange an der Schule treffen wollten, aber der Gedanke, womöglich wieder Van zu treffen, machte mich furchtbar nervös, also simste ich ihr eine Ausrede, dass ich noch am Aufsatz zu schreiben hätte.
    Derweil trudelten alle möglichen tollen Vorschläge für MissbrauchVonBefugnissen ein, Hunderte von kleinen und großen, Bilder und Videos. Das Mem hatte begonnen, sich zu replizieren.
    Und es hörte nicht wieder auf. Am nächsten Morgen waren es nochmals mehr geworden. Jemand hatte ein neues Blog namens MissbrauchVonBefugnissen aufgesetzt, das Hunderte weiterer Vorfälle sammelte. Der Stapel wuchs. Wir wetteiferten darum, die saftigsten Storys und die wildesten Bilder aufzutun.
    Mit meinen Eltern hatte ich vereinbart, dass ich jeden Morgen mit ihnen zusammen frühstückte und über die Projekte redete, die ich gerade in Arbeit hatte. Es gefiel ihnen, dass ich Kerouac las. Es war für sie beide eines ihrer Lieblingsbücher gewesen, und es stellte sich heraus, dass wir bereits ein Exemplar im Regal in ihrem Schlafzimmer hatten. Mein Dad brachte es runter, und ich blätterte es durch. Da waren Abschnitte mit Kuli angestrichen, es gab Seiten mit Eselsohren und Notizen am Rand. Mein Dad hatte dieses Buch offensichtlich sehr geliebt.
    Das erinnerte mich an bessere Zeiten, als mein Dad und ich uns noch fünf Minuten am Stück unterhalten konnten, ohne uns über Terrorismus in die Haare zu kriegen, und wir hatten zum Frühstück ein tolles Gespräch darüber, wie der Roman strukturiert war, und über all die irren Abenteuer.
    Aber am nächsten Morgen hingen sie beim Frühstück wieder wie gebannt vorm Radio.
    "Missbrauch von Befugnissen - so heißt der neueste Trend in San Franciscos berüchtigtem Xnet, und er hat bereits weltweites Aufsehen erregt. Die Bewegung, kurz MvB genannt, besteht aus ,Kleinen Brüdern', die ihrerseits die Anti-Terrorismus-Maßnahmen der Heimatschutzbehörde überwachen und ihre Pannen und Exzesse dokumentieren. Initialzündung für MvB war ein populäres virales Video, das zeigt, wie General Claude Geist, ein pensionierter Drei-Sterne-General, von DHS-Mitarbeitern auf dem Bürgersteig vor City Hall umgerempelt wird. Geist hat den Vorfall nicht kommentiert, aber es gab zahlreiche wütende Reaktionen junger Zuschauer, die auch über ihre eigene Behandlung entrüstet sind.
    Besonders bemerkenswert ist das hohe Maß an Aufmerksamkeit, das dieser Bewegung weltweit zuteil wird. Bilder aus dem Geist-Video wurden bereits auf den Titelseiten von Zeitungen in Korea, Großbritannien, Deutschland, Ägypten und Japan veröffentlicht, und Rundfunkstationen überall auf der Welt zeigten den Clip in ihren Abendnachrichten. Ihren vorläufigen Höhepunkt erlebte die Angelegenheit, als gestern abend National News Evening der British Broadcasting Corporation eine Sondersendung über den Umstand ausstrahlte, dass die Story bislang weder von einem US-Sender oder einer hiesigen Nachrichtenagentur aufgegriffen wurde. Kommentatoren auf der Website der BBC weisen zudem daraufhin, dass sich die Sondersendung auf den Seiten von BBC America ebenfalls nicht finden lässt."
    Es folgte eine Reihe von Interviews: britische Medienbeobachter, ein Bürschchen von der schwedischen Piratenpartei mit spöttischen Bemerkungen über Amerikas korrupte Presse, ein ehemaliger amerikanischer Nachrichtensprecher im Ruhestand in Tokio; dann strahlten sie einen kurzen Spot von Al-Dschassira aus, in dem es um die US-Presse im Vergleich zu den nationalen Nachrichtenmedien in Syrien ging.
    Ich meinte die Blicke meiner Eltern auf mir zu spüren, meinte zu ahnen, dass sie wussten, was ich tat. Aber als ich mein Geschirr wegräumte, sah ich, dass sie einander anschauten.
    Dad hielt sich mit zitternden Händen am Kaffeebecher fest. Mom blickte zu ihm hin.
    "Die wollen uns schlechtreden", sagte Dad schließlich. "Die wollen alle Bemühungen um unsere Sicherheit sabotieren."
    Ich öffnete den Mund, aber dann fing ich den Blick meiner Mutter und ihr Kopfschütteln auf. Also ging ich in

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