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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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bestellte einen mit Zunge. Ange hatte mich irgendwann mal zum Probieren überredet, und es schmeckte erstaunlich gut, solange man ausblenden konnte, dass man eben eine Zunge aß. Liam bestellte dasselbe und konnte sich gar nicht wieder einkriegen, wie gut es doch schmeckte und dass ihm da bislang echt was entgangen war.
    »Ich fass es ja immer noch nicht, dass du unser Webmaster bist«, sagte Liam. »Irgendwie ist das, als hätte man Bruce Lee als Rausschmeißer oder so.«
    »Oder Jack Daniels als Barkeeper«, meinte Nate. Er trug dieselbe Art von Bart wie Liam.
    »Ich glaub, Jack Daniels ist tot. Oder erfunden«, bemerkte Liam.
    »Okay, dann Steve Wozniak, der einem den Rechner repariert.«
    »Das war jetzt echt old school «, sagte Liam. »Woz hat die ersten Apple-Computer gebaut«, erklärte er mir.
    »Ich weiß.«
    »Oh. Na klar! Natürlich weißt du das. Wem sag ich das?!«
    Am liebsten hätte ich ihm auf die höfliche Tour zu verstehen gegeben: »Hey, hör doch mal auf, mich beeindrucken zu wollen, okay? Ich mag dich ja, aber du übertreibst es echt.« Aber es gab keinen Weg, das rüberzubringen, ohne dass er sich dabei wie ein Loser vorkommen musste – und ich mir wie ein Arsch.
    »Was geht bei dir denn so ab, Nate?«, versuchte ich das Thema zu wechseln.
    Er zuckte die Schultern. »Bin arbeitslos. Bastle an meinem leeren Lebenslauf rum.« Noch ein Schulterzucken.
    »Ich weiß, wie das ist. Bis heute früh hatte ich auch keinen Job.«
    Da glotzten sie mich beide an. »Erzähl keinen Scheiß«, sagte Liam. » Du, arbeitslos? Ich hätte gedacht, dass dich irgendein krasses Start-up angeworben hat. Oder auch Google.«
    Jetzt war es an mir, die Schultern zu zucken und den Blick abzuwenden. Gespräche über die Arbeitslosigkeit schienen das mit sich zu bringen. »Tja, keine Ahnung. Vor ein paar Monaten hab ich mein Studium geschmissen, weil ich kein Geld mehr hatte, und seitdem war ich auf der Suche.«
    »Mann«, sagte Nate. »Das ist doch verrückt. Wenn du schon keinen Job findest, was für Chancen hab dann ich?«
    Mir fiel keine Antwort darauf ein. Ich hatte meinen Job seit kaum einem Tag und begann mich schon schuldig dafür zu fühlen.
    Peinlich berührt aßen wir zu Ende. Zurück auf der Arbeit setzte ich mich weiter mit dem Netzwerk auseinander. Ich dachte nicht einmal mehr an den Torrent, den ich letzte Nacht gestartet hatte, bis ich daheim wieder in das geheime Betriebssystem wechselte und mich erneut mit IP redator verband.
    Der Download war ein riesiger – RIESIGER – verschlüsselter Zip-File. Und irgendwo dort draußen war Masha, gefangen, wenn man nicht noch Schlimmeres mit ihr angestellt hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass Masha von mir erwartete, den File und den Schlüssel unverzüglich zu veröffentlichen.
    Ich musste das wirklich dringend mit jemandem bereden. Am besten mit Ange. Aber Ange war noch an der Uni und würde auch noch eine Weile brauchen. Und bei diesem Thema wollte ich weder Telefon noch E-M ail oder IM verwenden. Am liebsten wäre mir ein Gespräch darüber in einem isolierten Raum am Boden eines Bergwerks gewesen, aber den hatte ich jetzt leider nicht.
    Gut sechsunddreißig Stunden hatte ich es erfolgreich vermieden, mir Gedanken über dieses Thema zu machen. Ich hatte auch gute Entschuldigungen parat: Ich war von einer Explosion getroffen worden. Man hatte mich mit Schmerzmitteln vollgepumpt. Dann hatte ich geschlafen und danach einen Job bekommen. Meinen ersten Arbeitstag hinter mich gebracht. Aber nun hatte ich keine Ausreden mehr für meine Untätigkeit.
    Moment mal! Da fiel mir doch noch eine ein: Es war einfach Irrsinn , diesen File auf meinem Laptop zu haben, selbst auf der geheimen Partition. Ich bekam einfach nicht den Gedanken aus dem Kopf, dass jeden Moment ein Einsatzteam durch meine Tür brechen könnte. Und falls ich gerade an der Arbeit an Mashas File saß, wenn das geschah, war es aus und vorbei.
    Ich musste mich also noch viel besser absichern, ehe ich mich an dieses Info-Plutonium heranwagen konnte.
    Als Erstes brauchte ich eine virtuelle Maschine. Mit den VM s hatte ich in letzter Zeit innige Freundschaft geschlossen, daher eine kurze Erklärung: Es gibt Programme, die genau wie der Prozessor eines Computers funktionieren. Dazu braucht man noch einen File, der als die virtuelle Festplatte dieses Rechners fungiert; dann kann man ein Betriebssystem und beliebige Programme damit ausführen. Sobald man diesen virtuellen Computer »einschaltet« – also sein

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