Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
ging er dann weiter zur Beifahrerseite, öffnete die Tür und nahm Platz. Er hielt einen schwer gepanzerten Ausrüstungskoffer in Händen, ebenfalls in militärischem Schwarz gehalten, mit großen, klobigen Schnallen, die sich etwas abgenutzt hatten, sodass man ein bisschen silbernes Metall unter dem mattschwarzen Lack durchschimmern sah. Er klappte die Schnallen auf und öffnete den Koffer, was von einem leisen Gummiklang wie von einer Dichtung begleitet war. Das Innere des Koffers war mit Schaumstoff ausgekleidet, und formgenau darin eingepasst lagen ein kleiner schwarzer Kasten, ein paar Drähte und verschiedene Elektroden und Klammern.
    »Unser Polygraf«, sagte er. Das war eine derart freudige Überraschung, dass ich beinahe losgelacht hätte.
    »Polygraf« ist die schönfärberische, pseudowissenschaftliche Bezeichnung für »Lügendetektor«: eine Maschine, die angeblich erkennen kann, ob man gerade flunkert, indem sie die »psychogalvanische Hautreaktion« (ein weiterer pseudowissenschaftlicher Begriff, diesmal für »Verschwitztheit«) und den Herzschlag misst. Die Dinger waren schon 1921 erfunden worden, und wie so oft, wenn es um halbverstandene Wissenschaft geht, waren bestimmte Leute zu dem Schluss gekommen, sie müssten funktionieren, da sie ja so kompliziert waren . Natürlich ist das ein ziemlich bescheuerter Grund, an irgendwas zu glauben.
    Lügendetektoren sind totaler Quatsch. Was sie einem sagen, ist lediglich, ob die Testperson gerade schwitzt oder sich ihr Puls beschleunigt; aber das heißt noch lange nicht, dass sie auch lügt. Die meisten Gerichte lehnen Lügendetektoren nicht ohne Grund als Beweismittel ab.
    Dennoch werden sie immer noch hergestellt und benutzt – aus so ziemlich demselben Grund, aus dem Menschen auch immer noch heilende Kristalle um den Hals tragen oder »alternative Medizin« kaufen. Genau das kommt dabei raus, wenn zwei Sorten Dummheit aufeinandertreffen. Die erste Sorte hatte ich »Immer noch besser als nichts« getauft. Die zweite »Mir hat’s jedenfalls geholfen«.
    Diese Selbsttäuschung ist auch der Grund dafür, dass viele Konzerne, das amerikanische Militär und das FBI Lügendetektoren einsetzen. Stellen wir uns nur mal einen millionenschweren Manager vor, den Chef einer großen, erfolgreichen Handelskette. Er muss einen neuen Regionalleiter einstellen, aber wenn er den Falschen erwischt, ruiniert der oder die ihn vielleicht. Da darf er sich wirklich keinen Fehler leisten.
    Also bezahlt er irgendein teures »Headhunter«-Unternehmen damit, ihm den Richtigen anzuschleppen. Die haben eine tolle Verkaufsmasche: Wir sind schlau, wir machen das schon ewig, und vor allem arbeiten wir mit wissenschaftlichen Methoden. Wir setzen nämlich »wissenschaftliche Persönlichkeitstests« für die Suche nach dem besten Kandidaten ein – und bevor Sie den einstellen, hängen wir ihn auch noch an unseren Lügendetektor und stellen ihm ein paar heikle Fragen, etwa: »Haben Sie vor, die Firma zu bestehlen?« Oder: »Nehmen Sie heimlich Drogen?« Und so weiter.
    Wissenschaft ist doch geil, oder? So ein wissenschaftlich orientierter Personalvermittler geht bei der Kandidatensuche bestimmt ab wie Fruchtgummi, weil er doch ausgebildete Jobologen beschäftigt, und die Jungs im Labor haben auch alle ihren Doktor gemacht. Leider stehen Polygrafen aber irgendwie in Verruf, und die Leute fragen sich: Klappt das denn wirklich?
    »Aber sicher doch«, sagt der Personalvermittler. »Natürlich nicht perfekt, aber was ist das schon? Manchmal verraten die Dinger einem schon, wenn jemand lügt, und ist das nicht immer noch besser als nichts?«
    (Die richtige Antwort hierauf wäre »eher nicht«. Eine Münze werfen oder eine Ziege opfern würde einem das auch »manchmal« verraten, vorausgesetzt, die Münzen oder Ziegen gingen einem nicht so schnell aus.)
    Anderes Beispiel: ein Abteilungsleiter beim FBI , der seinen Job einem erfolgreichen Lügendetektortest verdankt. Man hat ihn beim Interview verdrahtet und gefragt, ob er in Wahrheit ein geheimer kommunistischer islamofaschistischer Terroristenjunkie ist. Da hat er brav »nein« gesagt, und die Maschine hat nicht widersprochen. Hurra! Ein paar Leute behaupten zwar, das wär alles bloß Scheiße, aber was wissen die schon? Schließlich hat es nicht bloß bei ihm, sondern auch all seinen Kollegen funktioniert!
    (Denn natürlich wurde jeder, bei dem es nicht funktioniert hat, gar nicht erst eingestellt, oder er wurde eingestellt, obwohl er sich in

Weitere Kostenlose Bücher