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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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    »Hey, du Arschloch. Gib schon her!«
    Er wurde sichtlich bleicher. »Wie bitte, Ma’am?«
    »Das Ma’am kannst du dir sonst wohin stecken. Gib mir die verdammte Brieftasche.« Mit diesen Worten drängte ich ihn gegen die graffitibeschmierte Wand. Er musterte erst Jack und dann mich; offenbar wollte er es nicht darauf ankommen lassen. Und so reichte er mir die Brieftasche, bevor er in die Toilette stürmte.
    Mein spontaner Sondereinsatz hatte Anwalt Nr. 4 von Rennen Nr. 7 abgelenkt. Sein Pferd verlor – rein statistisch gesehen war es ohnehin mehr als tollkühn gewesen, ausgerechnet auf dieses zu setzen –, trotzdem war Jack enttäuscht, weil er das Rennen verpasst hatte. Wie viele Spieler oder Sportzuschauer glaubte er fest daran, das Ergebnis eines Wettkampfs allein dadurch beeinflussen zu können, dass er ihn aufmerksam verfolgte. Nachdem wir die Brieftasche ihrem rechtmäßigen Eigentümer überreicht und den Dieb beim Sicherheitschef angezeigt hatten, fragte ich Jack, ob er nicht auf ein weiteres Rennen wetten wolle. Er winkte ab. Sein Glück habe ihn verlassen.
    Am nächsten Tag schaute ich bei David im Büro vorbei, um einen anstehenden Überwachungsauftrag zu besprechen und Näheres über Anwalt Nr. 4 zu erfahren. Immerhin der erste Anwalt, für den ich etwas übrig hatte.
    »Was hat er gesagt?«
    »Wer?«
    »Anwalt Nr. 4.«
    »Wie willst du eine normale Beziehung eingehen, wenn du deine Männer alle mit einer Seriennummer versiehst?«
    »Ich bin sicher, er hat was gesagt.«
    Mit einem mühsam unterdrückten Grinsen sagte David: »Er meinte, du seist so was wie eine Mischung aus Dirty Harry und Nancy Drew.«
    »Ist das als Kompliment zu verstehen?«, fragte ich.
    »Wohl kaum.«
    Das Verlorene Wochenende Nr. 22
    Onkel Ray war wieder einmal verschwunden. Seit zwölf Tagen hatte ihn in der Stadt niemand mehr gesichtet. Mein Vater verfolgte Rays Spur anhand seiner Kreditkartenauszüge zu einem Caesars-Palace-Hotel in Lake Tahoe. Mom und Dad hatten beide keine Zeit, ihn dort abzuholen. Und so kam ich zu der Ehre. Da ich aber keine Lust hatte, allein zu fahren, rief ich David an – auch wenn ich es für ziemlich aussichtslos hielt.
    »Kann ich dort auch Ski fahren?«
    »Klar. Während ich Onkel Ray von seiner Whiskeyflasche trenne und seine Nutten bezahle, machst du dir eine schöne Zeit.«
    »Dann komm ich mit«, sagte David, meinen Sarkasmus ignorierend.
    Die Fahrt nutzte ich, um David auszuhorchen – ich wollte wissen, womit Mom ihn in der Hand hatte.
    »Gib’s zu, David: Ich bin dir peinlich.«
    »Das gebe ich offen und freimütig zu.«
    »Du hast nicht den geringsten Wunsch, mich mit deinen Freunden zu verkuppeln.«
    »Ich setze darauf, dass ein Hauch ihrer Manieren auf dich abfärbt. Sieh es einfach als kostenlose Benimmschule.«
    »Dahinter steckt Moms Masterplan. Und so wie ich dich kenne, machst du das bestimmt nicht ihr zuliebe. Sie setzt dich unter Druck.«
    »Willst du damit etwa andeuten, Mom habe mich erpresst, damit ich dich mit den Kollegen zusammenbringe?«
    »Warum kann in dieser Familie keiner auf eine einfache Frage antworten?«
    »Onkel Ray kann das ziemlich gut.«
    Sieben Stunden später stöberte ich meinen Onkel beim Carribean Poker im Harrah’s Casino von Tahoe auf. Als ich ihn fragte, was er die letzten zwei Wochen so getrieben habe, antwortete er: »Mal sehen. Zuerst war ich fünf Tage auf Sauftour,dann habe ich zwei Tage nonstop Poker gespielt und war wieder nüchtern. In Reno hab ich ein paar Mädels aufgerissen. Danach wieder Poker gespielt. An die drei Tage, die darauf folgten, kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Und die letzten vier habe ich hier im Kasino mein Glück versucht. Und wie geht’s dir, Sweetie?«
    David hatte recht. Onkel Ray war der einzig geradlinige Mensch in der Familie. Rae konnte sehr direkt und ehrlich sein, aber sie schreckte vor keiner Lüge zurück, wenn sie etwas Bestimmtes erreichen wollte. Während unser Onkel aus seinen Schwächen nie einen Hehl machte. Seine Lasterhaftigkeit trug er wie eine Krone.
    Vier Stunden Kasino-Hopping, um Onkel Ray ausfindig zu machen. Während ich die Drecksarbeit erledigte, begab sich David wie angekündigt auf die Skipiste. Bald stellte sich heraus, dass Onkel Ray in den vergangenen vierzehn Tagen alles verspielt hatte – und mehr als das: seine gesamten Ersparnisse, die Rentenzahlungen für die kommenden sechs Monate, seine Fünfzig-Dollar-Uhr, die goldene Geldklammer, die Mom ihm

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