Little Miss Undercover - Ein Familienroman
bestimmt sehr übelnehmen.«
»Wo steckst du überhaupt? Was ist das für eine Vorwahl?«
»Von einem Handy.«
»Ich dachte, man hat dir das Handy weggenommen?«
»Hat man auch.«
»Und wo hast du dieses Handy her?«
»Geliehen.«
» Geliehen in Gänsefüßchen?«
»Erinnerst du dich an den Fall Popovsky?«, fragte Rae gelassen.
Ich krallte mich am Hörer fest. Worauf wollte sie hinaus?
»Ja«, sagte ich.
»Du hast Mom und Dad geraten, den Auftrag abzulehnen. Du meintest, Mrs. Popovsky sei eine schreckliche Frau und Mr. Popovsky habe es nicht verdient, dass man ihm nachschnüffelt.«
»Ich weiß, was ich damals gesagt habe, Rae.«
»Weißt du noch, wie du Mr. Popovsky telefonisch vorgewarnt hast, dass er bald rund um die Uhr überwacht werden würde?«
»Ja.«
»Weißt du noch, wie du Mr. Popovsky mitten in der Nacht zum Flughafen gefahren und ihm erzählt hast, seine Frau habe auf einem Auslandskonto Geld beiseitegeschafft?«
»Ja doch.«
»Weißt du noch, wie du ihm die Kontonummer gegeben hast?«
»Worauf willst du hinaus, Rae?«
»Mom und Dad wären bestimmt nicht sehr erfreut, wenn sie davon Wind bekämen.«
Ich wusste, dass meine Schwester keine Skrupel kannte. Doch jetzt hatte sie mich überrascht.
»Willst du mich erpressen?«, fragte ich geradeheraus.
»Ein hässlicher Begriff«, erwiderte Rae. Ich fragte mich, aus welchem Film sie das geklaut hatte.
»Geradezu abscheulich«, sagte ich.
»Wir sehen uns morgen.« Rae legte auf.
Die Fahrt durch das Wine Country schien im Nu vorbei. Gegen Langeweile wirkt Wut viel besser als irgendwelche Hörbücher.Mit quietschenden Bremsen hielt ich vor dem Büro der Camp-Verwaltung, das im typischen Holzhütten-Stil gehalten war. Hinter der Staubwolke, die mein Auto aufgewirbelt hatte, entdeckte ich Rae, die auf einer Ansammlung von Matchbeuteln hockte. Beim Anblick des Buicks leuchteten ihre Augen auf. Sie stürmte auf mich zu, um mich zu umarmen.
»Danke. Danke. Danke.«
Ich schälte ihre Arme von mir und schob sie weg. »Muss ich dich noch abmelden?«, fragte ich so barsch wie möglich.
Zaghaft wies sie zur Büro-Hütte. Drinnen erledigte ich den Papierkram, dann kehrte ich zum Auto zurück. Ich öffnete den Kofferraum und wies Rae an, ihr Gepäck einzuladen.
»Das werde ich dir nie vergessen, Izzy.«
Ich klappte den Kofferraum zu, packte Rae am Kragen ihres tannengrünen Camp-Winnemancha-T-Shirts und drückte ihr beinahe die Luft ab. Dann schleuderte ich sie gegen die Autotür. (Sie mögen es brutal finden, aber Rae kann das gut ab.)
»Und jetzt tust du so, als könntest du kein Wässerchen trüben? So läuft das aber nicht. Das ist doch kein Leben. Ich werde nicht zulassen, dass meine dreizehnjährige Schwester mich nach ihrer Pfeife tanzen lässt. Erpressung ist ein Verbrechen, Rae. Kein Spiel. Du kannst andere nicht nach Belieben manipulieren. Und wenn du mal eine harte Zeit durchmachst, musst du aus eigener Kraft damit fertig werden. Verstehst du? Oder willst du mit mir noch irgendwelche Spielchen treiben? Das können wir gern ausprobieren. Aber ich warne dich: Für dich wird das kein Spaß. Was willst du also, Rae? Hältst du dich an die Regeln oder willst du sehen, wie weit ich gehen kann?«
Manchmal spürt man ja förmlich, wie man angestarrt wird. Zwei Camp-Betreuer und zwei andere, die zur Belegschaft gehörten, standen da wie gelähmt und fragten sich offenbar, ob sie die Polizei rufen sollten. Ich ließ Rae los und ging zur Fahrerseite, während meine Schwester dem Publikum mit einem Schulterzucken das Zeichen zur Entspannung gab.
»Wir sind Schauspieler«, sagte sie, bevor sie ins Auto sprang.
Die ersten sieben Minuten schwieg Rae. Damit übertraf sie ihren bisherigen Rekord um erstaunliche fünfeinhalb Minuten. Als sie dann den Mund wieder aufmachte, war ich nicht überrascht.
»Ich hab dich lieb, Isabel. Ich hab dich wirklich richtig lieb.«
»Hier wird nicht gesprochen«, sagte ich. Wie lange hatte ich die Ruhe noch genießen wollen?
Nach fünf Minuten fragte Rae: »Holen wir uns ein Eis?« Als sei nichts vorgefallen.
Anwalt Nr. 4
Sobald David hörte, dass ich Rae aus dem Camp geholt hatte, war sein Argwohn geweckt. Er lud mich zum Mittagessen ein. Bei Miesmuscheln und Pommes frites im Café Claude warf David eine Frage auf, die sich kein anderer gestellt hätte.
»Hat Rae was gegen dich in der Hand?«
»Wie bitte?«, fragte ich mit Unschuldsmiene.
» Du wolltest doch unbedingt, dass sie dahin geht – und
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