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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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zum Geburtstag geschenkt hatte, ja sogar seine Schuhe. So erklärte ich mir jedenfalls, warum er an den Füßen die billigsten Flip-Flops trug, die man für Geld kriegen kann. Ich versuchte, ihn vom Spieltisch loszueisen, aber er wollte erst gehen, wenn er zur Abwechslung was gewonnen hatte.
    »Nur symbolisch, Izzy. Ich kann es nicht mit dieser Pechsträhne enden lassen. Das schadet meinem Karma.«
    »Und was ist mit deinem Konto?«
    »Izzy: Geld ist nicht alles im Leben.«
    »Du musst es ja wissen, wenn deins alle ist.«
    »Ach Sweetie, ich wünschte, du würdest nicht immer alles so negativ sehen.«
    Ray spielte eine weitere Runde – und verlor. Vor ihm lag aber noch eine Reihe von Jetons. Mir fiel nur ein Weg ein, ihn vom Tisch zu lotsen.
    »Onkel Ray, wie wär’s mit einem Drink an der Bar?«
    »Prima Idee, Izzy. Aber bei einem wird es kaum bleiben.«
    Als wir ihn schließlich auf den Rücksitz von Davids Auto verfrachteten, fiel Onkel Ray gleich ins Koma. Wir schnallten ihn an Brust und Beinen fest, in Seitenlage gekippt, für den Fall, dass er sich übergeben musste.
    Auf der Rückfahrt nach San Francisco spielten David und ich ein Spiel aus unserer Jugend: die Bewertung von Onkel Rays Verlorenen Wochenenden.
    »Das jetzt waren fünf Sterne. Mindestens«, sagte ich.
    »Es klingt jetzt vielleicht naiv«, meinte David, »aber ich dachte immer, das sei nur eine Phase. Irgendwann würde der Alte Onkel Ray wieder ans Licht kommen.«
    »Der Alte ist für immer verschwunden«, sagte ich voller Überzeugung. »Und du solltest dich darauf gefasst machen, dass sich der Neue einnässt.«
    David seufzte. Dann sagte er gelassen: »Ja, ich weiß.«
    Onkel Rays kurzer Flirt mit der Entzugsklinik
    Das Verlorene Wochenende Nr. 22 war, rein finanziell gesehen, verheerender als die anderen. Onkel Ray hatte tatsächlich alles verspielt. Mein Vater, der nicht mehr ein noch aus wusste, arrangierte für Ray den Besuch einer 30-tägigen Entzugskur, die auf Suchtverhalten jeglicher Art zielte. Die Klinik im kalifornischen Petaluma hieß Erholungsheim Zum Grünen Klee , was David und mich zu fünfzehnminütigen Lachkrämpfen hinriss. Ray ließ sich zunächst darauf ein, doch als er und Dad den lauschigen, von Reihenhäusern gesäumten Weg erreichten, sagte Onkel Ray: »Das wird nichts.«
    »Willst du es nicht wenigstens versuchen?«, fragte Dad.
    »Für dich tue ich alles, Al. Aber es wird nichts nützen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß, wer ich bin. Inzwischen weiß ich es nur zu gut.«
    »Was kann ich sonst tun, Ray?«
    »Behalt dein Geld.«
    »Aber du kannst doch nicht pausenlos verschwinden.«
    Das war Onkel Rays Stichwort: »Vielleicht könnte ich ja eine Weile zu euch ziehen? Bis ich mich wieder berappelt habe. Meine Schulden beglichen habe und so.«
    »Du willst zu uns ziehen?«
    »Ich dachte an Davids altes Zimmer. Wenn er nichts dagegen hat?«
    »Nein«, sagte Dad. David wollte ganz bestimmt nicht in sein altes Zimmer zurück.
    Dad startete den Wagen, dann wandte er sich seinem Bruder zu, um die Spielregeln aufzustellen: »Bei uns im Haus dulde ich keine Nutten, keine Drogen und auch keine Pokerspiele.«
    »Versteht sich von selbst, Al.«
    Und so ergab es sich, dass Onkel Ray in die Clay Street Nr. 1799 einzog.
Die Befragung
Teil 3
    »Finden Sie nicht, dass Ihre Eltern schlecht beraten waren, einen notorischen Alkoholiker ins Haus zu holen, vor allem, wenn man seine Drogen-, Spiel- und Sexsucht bedenkt? Unter demselben Dach wohnt schließlich eine Teenagerin, die sind für alles Mögliche empfänglich.«
    »Onkel Ray ist nicht sexsüchtig. Er treibt es gern mit Nutten, klar, aber nur gelegentlich.«
    »Soll ich meine Frage wiederholen?«
    »Onkel Ray mag eine wandelnde Katastrophe sein, aber er ist nur für sich eine Gefahr, nicht für andere. Man darf nicht von ihm erwarten, dass er den Rasen mäht oder das Geschirr spült, aber man kann sicher sein, dass er keiner Fliege was zuleide tut.«
    »Alle Zeugenaussagen stimmen in diesem Punkt überein: Sein Einzug löste bei Ihrer Schwester eine Abwehrhaltung aus. Wie äußerte sich diese Haltung genau?«
    »Zwischen beiden herrschte Krieg.«
    »Dann erzählen Sie mir von diesem Krieg.«
    Inspektor Stone begriff offenbar nicht, dass es sich nicht um einen Krieg handelte, sondern um eine ganze Serie von Kriegen, Schlachten und Gefechten, die immerzu brodelten. Ein Ende war nicht abzusehen. Würde ich alle Spellmans auf ein Blatt Papier zeichnen und dazu ein

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