Little Miss Undercover - Ein Familienroman
habe ich mit Ihrer Mutter gesprochen, und sie sagte, Ihre Eltern hätten an die 100 000 Dollar in Ihre Ausbildung investiert.«
»Wie lautet die Frage, Ms. Spellman? Ich habe zu tun.«
»Die Frage lautet: Warum mussten Sie dann einen Studienkredit von 150 000 Dollar aufnehmen? Meinen Berechnungen nach hätte das Geld Ihrer Eltern gereicht.«
Es war nicht zu übersehen, dass Martin sich fieberhaft eine plausible Erklärung überlegte. Um ihm und mir die Lüge zu ersparen, die sich gerade anbahnte, stand ich auf.
»Schon gut, Martin. Es geht mir nicht darum, Ihr Gemauschel mit den Studiengebühren aufzudecken. Im Fall Ihres Bruders lasse ich aber nicht so schnell locker. Irgendwas ist da faul.«
Nachts ließen mir die schwarzen Löcher im Fall Snow keine Ruhe. Die Zahl der Fragen überstieg bei weitem die Zahl der Antworten. An Schlaf war immer weniger zu denken. Als ich am nächsten Morgen aus dem Bett taumelte, beschloss ich, das Wagnis einzugehen und die Küche meiner Eltern aufzusuchen,denn ich brauchte dringend Kaffee. Die Kanne war voll und die Küche leer – das Paradies auf Erden. Ich leerte die halbe Kanne in eine riesige Tasse. Dann setzte ich mich hin, um die Stille möglichst lange zu genießen. Bis David hereinkam, im eleganten Arbeitsdress, und sich zu mir setzte.
»Was machst du denn hier?«
»Hey Isabel. Wie geht’s?«
»Was glaubst du?«
»Dem Augenschein nach: richtig mies.«
»Danke. Was willst du hier?«
»Ich geh mit Rae in die Schule. Heute ist Tag der Berufsperspektiven. Ich soll einen Vortrag halten.«
»Warum hat sie nicht Mom oder Dad gefragt?«
»Um sich künftige Konkurrenz vom Leib zu halten.«
»Das nenn ich langfristig gedacht.«
»Hat mich auch beeindruckt.«
»Sie hat irgendwas gegen dich in der Hand, oder?«
»Wie kommst du darauf?«
»Du hast eine Achtzig-Stunden-Woche. Eine heimliche Freundin. Keiner weiß, warum du Raes Taschengeld aufrundest. Und dann nimmst du dir einen halben Tag Zeit, um einem Haufen Neuntklässler das Jurastudium nahezubringen, obwohl du genau weißt, dass außer dir noch ein Dutzend andere Rechtsanwälte dort auflaufen werden?«
»Du hast den absoluten Durchblick – das glaubst du wirklich, oder?«
»Es ist erst ein paar Monate her, dass Mom dich in der Hand hatte. Und jetzt Rae. Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund. Und du lässt dir ihr Schweigen eine ganze Menge kosten – nur, damit ich ja nichts mitbekomme.«
»Rae, bewegst du mal bitte deinen Arsch nach unten?«, rief David nervös. Da wusste ich, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
» MOMENT NOCH! «, brüllte sie aus Leibeskräften zurück.
»Wenn du ihr wirklich einen Gefallen tun würdest, hätte sie einen anderen Ton drauf. Warum erzählst du mir nicht einfach dein kleines Geheimnis? Dann kann Rae dir nicht mehr auf der Nase herumtanzen.«
»Ich erzähl’s dir. Sobald du mir erzählst, wo du demnächst arbeiten wirst.«
»Bis dann«, erwiderte ich, dann hastete ich die Treppe rauf.
Dabei trat ich auf den Saum meines Bademantels und verschüttete ein bisschen Kaffee. Also setzte ich mich auf die Stufen, zog eine Socke aus und wischte damit die Pfütze auf. Unwillkürlich hatte ich einen der »Hot Spots« erwischt: Von der vierten Stufe des zweiten Absatzes aus hört man alles, was in der Küche gesprochen wird, so laut und deutlich, als säße man mittendrin. Ein paar Stufen darüber oder darunter ist dafür gar nichts mehr zu vernehmen. Es war wirklich purer Zufall, dass ich ausgerechnet jetzt auf der vierten Stufe gelandet war. Ich hörte Mom fragen: »War das eben Isabel?«
»Glaub schon. Heutzutage weiß man ja nie«, sagte mein Bruder.
»Hat sie was gegessen?«
»Bloß Kaffee. Darf ich dir einen Rat geben?«
»Tust du so oder so.«
»Sag ihr, sie soll den Fall aufgeben. Lass sie gehen. Wenn du sie ziehen lässt, kommt sie aus freien Stücken zurück. Aber mit diesem Zirkus vertreibst du sie ein für alle Mal. Nach all den Jahren müsste dir das eigentlich klar sein, du kennst sie gut genug.«
»Schätzchen, ich weiß genau, was ich tue.«
»Ach ja?«
»Wenn sie diesen Fall erst mal eine Weile bearbeitet hat, wird sie vergessen, dass sie jemals kündigen wollte.«
»Warum lässt du sie nicht gehen und wartest einfach, bis sie freiwillig zurückkommt?«
»Weil ich auf sie aufpassen muss, David.«
»Warum?«
»Allmählich kommt die Alte Isabel wieder in ihr hoch. Und das kann ich nicht zulassen. Das will ich nicht noch mal erleben.«
»Das
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