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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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ist doch gar nicht die Alte Isabel, Mom, sondern eine ganz neue Mutation.«
    Anstatt darauf einzugehen, sagte sie: »Weißt du noch, wie sie war? Ich habe es nicht vergessen. Solch einen Willen zur Selbstzerstörung habe ich sonst nie erlebt. Es war furchtbar. Ich dachte jedes Mal, sie sei für immer von uns gegangen, wenn sie nicht nach Hause kam oder bewusstlos im Auto lag oder vor der Haustür oder in der Badewanne. Ich habe sie zu oft gehen lassen. Ich kann das nicht mehr.«
    »Sollte sie diesen Fall nicht lieber aufgeben?«, fragte David.
    »Ohne diesen Fall ist sie auf dem besten Weg, so zu enden wie Onkel Ray.«

D ER F ALL S NOW
K APITEL 5
    Der Kaffee zeigte seine Wirkung erst im Lauf des Vormittags, nach drei Stunden Brüterei über der Snow-Akte.
    Ich schnappte mir sofort das Telefon, um ein weiteres Treffen mit Sheriff Larson zu vereinbaren. Auch wenn er hörbar geknickt war, dass ich so bald nachlegte, willigte er ein. Um genau zu sein, teilte er mir mit, in welcher Kneipe er am Abend anzutreffen sei. Dort würde er mir unter Umständen die eine oder andere Frage beantworten.
    Nachmittags verzog ich mich ins Büro, um die Vorstrafenregister sämtlicher Personen zu überprüfen, die ich in diesem Fall bisher befragt hatte. Selbst landesweit verlief meine Recherche ergebnislos. Irgendwann kamen meine Eltern rein und übergaben mir einen Umschlag.
    »Was ist das?«
    »Deine Abfindung«, erklärte Dad.
    »Du wirst vom Fall abgezogen«, erklärte Mom.
    »Warum?«
    »Martin Snow hat angerufen. Du sollst deine Ermittlungen einstellen, seine Mutter sei schon ganz aufgewühlt.«
    »Glaubst du im Ernst, dass ihm was am Gefühlshaushalt seiner Mutter liegt?«
    »Zeit für was Neues. Mit dem Geld wirst du dich eine Weile über Wasser halten können«, sagte Mom.
    Ich schob den Umschlag zurück und sagte, sie sollten ihr Geld behalten, ich hätte noch zu tun. Sie sagten, der Fall würde zu den Akten gelegt. Ich erwiderte, diese Entscheidung liege allein bei mir. Dann ging ich.
    MacCall’s Tavern erreichte ich einen Tick früher als Sheriff Larson. Es tat gut, nicht mehr zu Hause zu sein und stattdessen Alkohol zu tanken. Beim Bier ließ ich die leicht heruntergekommene Atmosphäre des Ladens auf mich wirken. Dabei war die Einrichtung eleganter als die Kundschaft, und trotzdem war das ein guter Ort für eine einsame Frau, die in Ruhe trinken und über die Endlichkeit menschlichen Lebens sinnieren wollte.
    Sheriff Larsons Freizeitkluft bestand aus verblichenen Jeans, einem zerknitterten langärmligen Shirt und einer Kapuzenstrickjacke. Jetzt, wo sein ohnehin so markantes Gesicht nicht mehr durch die strenge Uniform überbetont wurde, war Larson ein Mann, den ich durchaus eines zweiten Blickes würdigen würde. Ohne diesen Zahnstocher, der ihm aus dem Mundwinkel hing, und ohne das nagende Misstrauen, das er in mir auslöste, wäre er sogar genau mein Typ. Ich mochte seine Coolness, die Art, wie er meine Anwesenheit mit einem unmerklichen Zucken der Augenbraue zur Kenntnis nahm, um dann lässig zu mir an die Theke zu schlendern. Ein kurzes Nicken nur, dann setzte er sich hin.
    Infolge eines offenbar telepathischen Austausches mit dem Barkeeper bekam Larson umgehend einen halben Liter Bier serviert.
    Ich legte fünf Dollar auf die Theke, doch Larson schob das Geld zu mir zurück. »Ich trinke niemals auf Kosten von Frauen.«
    Diese ritterliche Einlage fand ich amüsant, aber ich hielt meine Zunge im Zaum.
    »Sind Sie oft hier?«, fragte ich, um das Eis zu brechen.
    »Isabel.«
    »Sheriff.«
    »Nennen Sie mich doch Greg«, sagte er, allerdings klang es alles andere als freundlich.
    »Greg.«
    »Isabel, was wird hier gespielt?«
    »Sagen wir, es ist mir selbst nicht ganz klar.«
    »Ich denke, man sollte anderen ihre Geheimnisse lassen.«
    »Sagen Sie das mal meiner Mutter.«
    »Was wollen Sie von mir?« Larsons Widerstand schien eine winzige Spur nachzulassen.
    »Hören, was mit Andrew Snow passiert ist.«
    »Keine Ahnung.«
    »Klar, so müssen Sie ja reagieren. Und ich kaufe Ihnen sogar ab, dass Sie nicht genau wissen, was passiert ist. Aber Sie wissen bestimmt mehr, als Sie mir bisher verraten haben.«
    Statt einer Antwort gewährte mir Larson die Andeutung eines Lächelns. Im Gegensatz zu Martin Snow versuchte er erst gar nicht, mich von seinem Unwissen zu überzeugen. Allerdings würde es mir kaum gelingen, ihn zum Reden zu bringen. Dieser Mann war mit einem Pokerface zur Welt gekommen. Einen Versuch war es trotzdem

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