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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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aller Snows. Ich wollte die Kreditwürdigkeit von Joseph Snow überprüfen. Binnen weniger Sekunden tauchte der gewünschte Bericht auf meinem Bildschirm auf. Ich druckte ihn aus.
    »Mom, glaubst du, dass Andrew ausgerissen sein könnte?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil ich auf jeden Fall Reißaus nehmen würde, wenn ich Mrs. Snow zur Mutter hätte.«
    »Ich glaube eher, Mrs. Snow würde Reißaus nehmen, wenn sie dich zur Tochter hätte.«
    Ein Blick auf den Ausdruck genügte, um zumindest eine der Fragen zu beantworten, über die ich mir schon eine Weile den Kopf zerbrach.
    »Joseph Snow wohnt gar nicht bei Abigail«, verkündete ich.
    »Wo wohnt er dann?«, fragte Mom.
    »Hier ist eine Adresse in Pacifica angegeben.«
    »Komisch«, meinte Mom. »Dir hat sie doch erzählt, er sei beim Golf?«
    Bevor ich zu einem Überraschungsbesuch bei Joseph Snow aufbrach, suchte ich in der Datenbank des Standesamts von Marin County nach Anhaltspunkten für eine Scheidung. Unter dem Namen Snow war nichts verzeichnet, aber das hatte nichts zu bedeuten. Es gab kein nationales Scheidungsregister, man musste sich bei der Recherche von Bezirk zu Bezirk durchfragen, denn Scheidungen konnten überall vorgenommen werden.
    Sollte sich Mr. Snow so zugeknöpft zeigen wie Mrs. Snow, würde ich später den Rest der Bay Area absuchen.
    Auf der Fahrt war das Meer wegen des dichten Nebels vom Highway 1 aus kaum zu sehen. Ich parkte am Seaside Drive vor einem Haus im Rancho-Stil, nur wenige Schritte vom Wasser entfernt. Die Atmosphäre wirkte so entspannt wie überall an der kalifornischen Küste. Die salzhaltige Luft lässt Farbe schneller abblättern und Holz sich leichter wölben, und das etwas heruntergekommene Haus bildete ein ideales Gegenstück zu Abigail Snows eingehegter Perfektion.
    Eine attraktive Mittvierzigerin öffnete mir die Tür. Sie trug eine zerknitterte Leinenhose und ein hellblaues Männerhemd unter einem grauen Pulli. Trotz der Falten in ihrem sonnengegerbtenGesicht sah man, wie umwerfend schön sie in ihrer Jugend gewesen sein musste.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie. Dem verhaltenen Ton nach hielt sie mich vielleicht für eine Zeugin Jehovas oder für eine Staubsaugervertreterin.
    Ich fragte sie, ob Joseph Snow in diesem Haus wohne. Sie sagte ja. Ich fragte, ob sie mit ihm verheiratet sei. Sie sagte nein. Dann drehte sie den Spieß einfach um. Nachdem ich ihr kurz und bündig eröffnet hatte, dass wir den Fall Andrew Snow wieder aufrollen wollten, führte mich die Frau, die sich als Jennifer Banks vorstellte, durchs Haus zu einer Garagenwerkstatt. Joseph Snow, ein rüstiger, wenn auch vom Leben gezeichneter Mittsechziger beizte gerade ein selbstgezimmertes Bücherregal. Der Boden war mit Sägespänen bedeckt, überall lag Werkzeug herum, und an den Wänden lehnten Holzbretter. Als Jennifer den Grund meines Besuchs erklärt hatte und die allgemeine Begrüßung erfolgt war, ließ sie uns allein.
    Joseph beantwortete meine Fragen mit einer Offenheit, die mir in diesem Fall bisher nicht untergekommen war. Auch wenn er dabei die ganze Zeit einen Nagel zwischen den Fingern hin und her wandern ließ.
    »Sind Sie noch mit Abigail verheiratet?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ich habe die Scheidung in die Wege geleitet. Aber dann hat sie die Unterschrift verweigert.«
    »Ihre Frau gibt ja nicht einmal zu, dass Sie ausgezogen sind. Mir hat sie erzählt, Sie würden gerade Golf spielen.«
    »Ich hasse Golf.«
    »Mr. Snow, haben Sie eine Ahnung, was Ihrem Sohn passiert sein könnte?«
    »Nein. Und daran wird sich wohl nichts ändern.«
    Mein Treffen mit Joseph Snow ließ keinerlei Verdachtsmomente aufkommen. Seine Aussagen stimmten mit allen bereitsvorliegenden Daten und Fakten überein. Am liebsten wäre ich gleich zu Abigail weitergefahren und hätte sie gefragt, was sie denn zu verbergen hatte, aber es war schon spät. Außerdem brauchte ich eine Auszeit, von der Snow-Familie wie von meiner eigenen.
    Bei Milo legte ich einen Zwischenstopp ein, um ein paar Runden Billard zu spielen und ein paar Stunden zu verschnaufen. Dann trat ich den Heimweg an. Da ich ein Verhör unbedingt umgehen wollte, lief ich außen herum zur Feuerleiter. Mom hatte den Zugang aber mit einem Vorhängeschloss versperrt, vermutlich wollte sie Rae damit den Fluchtweg abschneiden. Leider schnitt sie mir damit zugleich den bequemsten Zugang zum Haus ab.
    Ich ging zum Auto zurück, in der Absicht, dort ein paar Stunden zu verdösen, bis meine Eltern ganz

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