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war, mitteilte, daß jemand angerufen habe, den er unbedingt sprechen müsse.« Und mit einem Schlag bricht es vollkommen unerwartet aus ihr heraus: »Jason ist tot! Warum er sich umgebracht hat, was in ihn gefahren ist, weiß ich nicht! Ich weiß nur, daß ich jetzt dastehe und mich mit Unternehmen, mit Erbschaftsangelegenheiten, mit Häusern, mit Jachten und mit zwei Kindern herumschlagen muß, die in ihrer eigenen Welt leben und so tun, als wäre ihr Vater immer noch am Leben!«
Sie schlägt die Hände vors Gesicht und bricht in Schluchzen aus. Die Stathatou eilt zu ihr hin und faßt sie um die Schultern. »Beruhige dich, meine Liebe«, meint sie beschwichtigend. »Fasse dich. Ich weiß, was du durchmachst. Komm schon! Wir werden das schon schaffen.« Sie hebt den Kopf und blickt Koula an. »Verlangen Sie draußen ein Glas Wasser von der Sekretärin«, meint sie im Befehlston, als hätte sie Koula als Bürogehilfin eingestellt.
Koula läßt ihren Notizblock sinken und tritt aus dem Büro. Die Stathatou hat ihren Blick wieder auf mich gerichtet.
»Da sehen Sie, was Sie mit Ihren Verhören anrichten, Herr Kommissar. Sie versetzen uns grundlos in Aufruhr und verpassen uns gerade dann einen Rückschlag, wenn wir versuchen, unser Leben wieder in den Griff zu bekommen.«
Ich versuche gelassen zu bleiben, da uns dieses Tauziehen nicht weiterbringt. »Ich bedaure, daß ich Sie in Aufregung versetze, Frau Stathatou. Es fällt uns jedoch schwer zu glauben, daß drei Menschen aufgrund eines plötzlich auftretenden Wahns Selbstmord verübt haben. Selbst wenn wir so etwas annähmen, bliebe immer noch die Tatsache der Biographien bestehen, die von ein und demselben Autor verfaßt wurden und mit Sicherheit bereits vor den Freitoden fertiggestellt waren.«
»Woran glauben Sie also? Sagen Sie es, damit ich endlich durchblicke.«
»Daß hinter den Selbstmorden etwas anderes steckt. Etwas, das wir noch nicht kennen. Wenn das zutreffen sollte, dann ist nicht auszuschließen, daß es noch zu weiteren Selbstmorden von prominenten Personen kommen wird.«
Das Glas Wasser, das ihr Koula überreicht, enthebt sie einer Reaktion, denn sie widmet sich nun ganz der Favierou. Ich warte ab, bis die Favierou das Glas ausgetrunken hat. Danach streicht die Stathatou ihrer Freundin sanft über den knabenhaft frisierten Kopf und setzt sich wieder auf ihren Platz. Erst dann fahre ich fort: »Ich werde Sie nicht lange aufhalten und mich kurz fassen. Haben Sie vielleicht irgendeine Veränderung im Verhalten Ihres Gatten in der Zeit vor seinem Tod festgestellt?«
Ein schwaches Lächeln überzieht Stathatous Lippen. »Loukas und ich hatten einen vollen Terminkalender und haben uns selten gesehen, Herr Kommissar. Er ist den ganzen Tag zwischen seinem Abgeordnetenbüro und dem Parlament hin- und hergependelt, und ich war für meine Firmen unterwegs. An den Abenden hatte jeder von uns seine Verpflichtungen – er politische und ich geschäftliche. Nur beim morgendlichen Kaffee trafen wir uns noch regelmäßig, und selbst da konnten wir nur das Notwendigste besprechen. Stella könnte Ihnen besser darüber Auskunft geben, ob sich in seinem Verhalten etwas verändert hatte.«
»Und wer ist Stella?«
»Die Sekretärin in seinem Abgeordnetenbüro.«
Adriani, nach meinem Gemütszustand befragt, könnte sogar Auskunft darüber geben, inwiefern sich die Häufigkeit meines Wimpernschlags geändert hätte. Ich wende meinen Blick der Favierou zu, richte aber keine Frage an sie, um sie nicht zu einer Auskunft zu nötigen. Doch sie spürt meinen fragenden Blick.
»Ja, Jason war schon anders als sonst«, meint sie. »Aber dafür gab es einen offenkundigen Grund.«
»Und der wäre?«
Sie wägt ab, ob sie mir antworten soll. Schließlich preßt sie mühsam hervor: »Ihn hat ein ernstes Problem, mit dem unser Sohn kämpft, sehr beschäftigt.«
Die Art und Weise, wie sie das sagt, läßt keinen Zweifel daran, um welches ernste Problem es sich dabei handelte. Doch es bleibt unklar, ob Favieros wegen seinem Sohn so bedrückt war oder ob ihn noch etwas anderes belastete, das ihn schließlich zum Selbstmord getrieben hat.
»Wissen Sie, ob Ihr Mann Apostolos Vakirtsis kannte, Frau Stathatou?«
Sie lacht auf. »Was für eine naive Frage, Herr Kommissar! Gibt es einen Politiker oder Möchtegern-Politiker, ja selbst irgendeinen Gemeinderat in Griechenland, der Apostolos Vakirtsis nicht kennt?«
»Wissen Sie, ob sie freundschaftlichen Kontakt pflegten?«
»Noch so
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