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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Alle Wahlkampfkandidaten – egal, ob sie fürs Parlament, den Bürgermeisterposten oder auch nur für den Gemeinderat kandidieren – finden Mittel und Wege, um von den Unternehmern eine Art Kopfsteuer einzutreiben. Die wiederum spenden an alle ein bißchen, nicht weil sie eine Gegenleistung erwarten, sondern weil sie, im Falle eines Falles, vorgesorgt haben wollen. Meiner Meinung nach geben Menelaos Vakirtsis’ Firmen mehr Material her.«
    »Die untersuche ich ohnedies. Wenn ich aber das Knäuel der Wahlkampfspenden an den Bürgermeister Vakirtsis entwirre, dann decke ich möglicherweise einige Querverbindungen auf, die mich ganz woandershin führen.«
    Sotiropoulos blickt mich lächelnd an. »Sie haben Köpfchen«, meint er. »Das ist zwar bei der griechischen Polizei nicht die Regel, aber Sie haben Köpfchen.« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Ich werde mich diskret umhören. Wenn ich was herauskriege, melde ich mich bei Ihnen.«
    Wir brechen auf, er zu seinem Sender und ich zu Samanis. Als ich nach meiner Brieftasche fasse, um zu bezahlen, hält er mich zurück.
    »Ich bin dran«, meint er. »Beim letzten Mal haben Sie bezahlt.«
    Das ist zwar nicht wahr, aber ich weiß seine höfliche Geste zu schätzen.

40
    I ch sitze in der Eingangshalle und warte. Die Fünfzigjährige am Empfang läßt den Hörer sinken und blickt mich mit einem Ausdruck des Bedauerns an.
    »Leider ist Herr Samanis unabkömmlich und hat keinen Termin mehr frei.«
    Dank Jannelis Vorwarnung bin ich auf so etwas vorbereitet. Unter Favieros’ wachsamem Blick erhebe ich mich von meinem Sessel und trete auf sie zu.
    »Schade, daß er gerade keine Zeit hat«, sage ich gelassen. »Bestellen Sie Herrn Samanis, daß ich ihn in dem Fall morgen zu einer offiziellen Befragung ins Polizeipräsidium vorlade.« Die Fünfzigjährige blickt mich an und versucht sich klarzuwerden, ob meine Drohung ernst zu nehmen oder bloß ein Bluff ist. »Nach Apostolos Vakirtsis’ Selbstmord geht es ans Eingemachte«, fahre ich fort. »Jetzt untersuchen wir die Motive für jeden Freitod aufs gründlichste, da zu befürchten steht, daß noch weitere Taten folgen werden. Wenn Herr Samanis meint, die Vorladung gelte nicht, braucht er nur Kriminaldirektor Nikolaos Gikas anzurufen, der ihm den Termin bestätigen wird.«
    Am Ende meiner Suada wende ich mich dem Ausgang zu, doch wie zu erwarten war, hält mich die Stimme der Fünfzigjährigen zurück.
    »Einen Augenblick, Herr Kommissar.«
    Ich bleibe stehen, als Zeichen, daß ich nicht vorhabe, lange zu warten. Sie hebt erneut den Hörer ab, bringt ihre Lippen ganz nah an die Muschel, hält schützend die Hand davor und beginnt zu flüstern. Kurz darauf legt sie den Hörer auf und sagt lächelnd: »Herr Samanis empfängt Sie umgehend.«
    Ich bringe weder meinen Dank noch meine Genugtuung zum Ausdruck, um zu signalisieren, daß mir das plötzliche Entgegenkommen schnuppe ist, und steuere auf den Fahrstuhl zu.
    »Warten Sie, es holt Sie jemand ab.«
    »Nicht nötig, ich kenne den Weg«, entgegne ich kühl.
    Ich fahre in die dritte Etage hoch, gehe an den kleinen Theaterlogen vorbei und trete in das Büro von Samanis’ Privatsekretärin. Sie begrüßt mich mit einem unmerklichen Nicken, wie auch bei unserer letzten Begegnung, und öffnet mir die Tür zu Samanis’ Arbeitszimmer.
    Samanis hat sämtliche Lagepläne und Entwürfe, derer er habhaft werden konnte, vor sich ausgebreitet und sich in deren Anblick vertieft, um mir seine Terminknappheit am praktischen Beispiel vorzuführen.
    »Sie haben die schlechte Angewohnheit, stets unangemeldet aufzutauchen«, meint er, ohne den Kopf zu heben.
    »Weil auch Morde stets unangemeldet passieren. Und für die Aufklärung hat die Polizei, ganz ohne Ausschreibung, ausschließlich den Zuschlag erhalten. Weder die Täter noch die Opfer geben eine Vorwarnung.«
    Meine Antwort zwingt ihn, den Kopf zu heben und mich zu fixieren. »Morde?« fragt er verdutzt. »Bislang war doch von Selbstmorden die Rede.«
    »Nach Vakirtsis’ Freitod spricht man offen von Anstiftung zum Selbstmord, was Mord gleichkommt. Nun recherchiere ich nicht mehr nur aus privater Neugier. Ich versuche herauszufinden, wer auf welche Weise Ihren Chef und zwei weitere Personen zum Selbstmord veranlaßt hat und wie ich weitere derartige Taten verhindern kann.«
    Er blickt mich grübelnd an. Meine Worte haben ihn und seine schöne Pose ins Wanken gebracht. »Nehmen wir einmal an, Ihre Behauptungen haben Hand und Fuß.

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