Live!
Ausnahme von Sotiropoulos, der die Tür schließt und sich vor mir aufbaut.
»Irgendwas Neues?« fragt er.
Ich möchte ihm nichts von der Biographie erzählen, die wir auf Vakirtsis’ Computer gefunden haben. Er ist schließlich Journalist, und ich sollte ihn nicht ständig in Versuchung führen. Irgendwann kann er nicht mehr widerstehen, und dann ärgere ich mich grün und blau.
»Das einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, daß sie Weggefährten waren.«
»Was heißt das?«
»Alle drei gehörten demselben Zirkel an. Der Kampf gegen die Junta und gegen die Militärpolizei hat sie zusammengeschweißt. Dieser Logaras muß irgendein Geheimnis aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit gekannt und sie damit erpreßt haben.«
Er denkt nach. »Das klingt überzeugend. Das erklärt auch die Biographien.«
»Wie meinen Sie das?« frage ich neugierig.
»Er bringt die Biographien im nachhinein heraus, um seine Spuren wieder zu verwischen.«
Möglicherweise hätte ich genauso gedacht, wenn ich nicht gewußt hätte, daß Logaras die Biographien vorab an seine Opfer schickte. Andererseits käme es mir gelegen, wenn er seine Auffassung im Fernsehen verbreitete, damit er seinerseits die Spuren unserer Ermittlungen wieder verwischt.
»Nicht auszuschließen.« Er blickt mich pfiffig und zufrieden an. »Könnten Sie ein wenig nachforschen?« hake ich nach.
»Was nachforschen?«
»Ob sich vielleicht ein Hinweis auf ihre Vergangenheit findet.«
»Wenn die Sache sehr weit zurückreicht, wird’s schwierig. Vielleicht helfen die Ermittlungsakten aus der Juntazeit weiter.«
»Die sind doch in Keratsini verbrannt, haben Sie das vergessen?«
Er lacht auf. »Kommen Sie, Kommissar. In Keratsini sind alte Lagerbestände und Zeitungen verbrannt!«
»So unwahrscheinlich Ihnen das auch vorkommt, sie sind verbrannt«, beharre ich.
Er lacht nach wie vor. »Durchstöbern Sie die Brandreste! Mit Sicherheit sind nicht alle verbrannt«, fügt er bedeutungsvoll hinzu. »Jedenfalls werde ich nachfragen.«
Er verläßt mein Büro, und ich rufe Koula herein. Sie sieht so aus, wie ich sie zum ersten Mal bei mir zu Hause gesehen habe, und nicht so wie in Gikas’ Vorzimmer: mit Jeans, einem T-Shirt, ohne Schminke und das Haar zum Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie trägt einen Ordner unter dem Arm.
»Was ist mit dem Computer in Favieros’ Büro?«
»Wie erwartet: Fehlanzeige.«
»Nicht einmal eine Sicherheitskopie der Biographie?«
»Nicht einmal das.«
»Und jetzt zu den Papieren und den Kassetten, die wir bei Vakirtsis gefunden haben.«
Sie holt den Ordner unter ihrem Arm hervor und legt ihn vor mich hin.
»Haben Sie eine Mitschrift der Kassetten angeordnet?«
»Heute morgen, mit einer Ausnahme: die vom 21. Mai, die Sie dringend brauchen. Ich habe Spyrakos gestern abend dazu angehalten, sie zu transkribieren. Wenn er schon zur Polizei möchte, dann kann er ruhig ein wenig Diensteifer zeigen. Sie finden die Mitschrift im Ordner.« Dabei tippt sie mit spitzbübischem Lächeln auf den Aktendeckel.
»Bravo, sehr schön! Was haben wir sonst noch?«
»Wir denken daran, auch Favieros’ Rechner in Porto Rafti zu durchsuchen.«
»Ich glaube nicht, daß ihr fündig werdet. Aber durchsucht ihn nur, dann haben wir nichts unversucht gelassen.«
Koula geht hinaus, und ich mache mich an das Studium der Mitschrift von Vakirtsis’ Sendung. Mein Eindruck nach der Lektüre der ersten beiden Seiten ist: Vakirtsis’ Äußerungen sind Wasser auf die Mühlen der Rädelsführer der Vereinigung Philipp von Makedonien. Die ganze Sendung mündet in ein delirierendes Gefasel, das sich gegen Stefanakos und seine Theorien von der Anerkennung der kulturellen Identität der Wirtschaftsflüchtlinge und von der Einführung des muttersprachlichen Unterrichts an den staatlichen Schulen richtet.
Vakirtsis führt sich nicht als Nationalist auf, sondern argumentiert mit »linkem« Gedankengut. Er verleiht der arbeitenden Bevölkerung, die unter der Arbeitslosigkeit leidet, eine Stimme. Der Grund, weshalb die Arbeitslosigkeit trotz eines größeren Angebots an Arbeitsplätzen nicht sinke, liegt laut Vakirtsis daran, daß alle neuen Stellen an Zuwanderer fielen. Die griechischen Arbeitnehmer gingen leer aus. Die Zuwanderer würden bevorzugt eingestellt, da sie unter Mindestlohnniveau und jenseits der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten zur Verfügung stünden. Sollten sich Stefanakos’ Vorschläge durchsetzen, so würden sie den Zuwanderern in Griechenland
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