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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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die Perspektive auf einen ständigen Wohnsitz, den Griechen hingegen die Aussicht auf ständige Arbeitslosigkeit eröffnen. Der Schlußakkord ist überwältigend:
     
    Also gut, Herr Stefanakos, nehmen wir mal an, daß die Menschenrechte dein Evangelium sind. Und hören wir mal nicht auf die Flüsterpropaganda, die behauptet, daß du diesen Standpunkt nicht ohne Gegenleistung vertrittst. Siehst du denn nicht, was deine Theorien anrichten? Was schlägst du vor? Daß wir Albaner, Bulgaren, Rumänen und Serben hierbehalten und unsere Leute nach Albanien, Bulgarien und Rumänien schicken, damit sie Arbeit finden?
     
    Diese letzte Frage würde den Makedonenfans schon ausreichen, nicht allein Stefanakos zu töten, sondern gleich das ganze griechische Parlament auszurotten. Dieser Eindruck wird durch den Verlauf der Sendung bekräftigt. Reihenweise rufen Arbeitsscheue beiderlei Geschlechts an und sondern giftige Kommentare über die Ausländer ab, die den Griechen die Arbeit wegnähmen und »unser schönes Griechenland« kaputtmachten.
    Während ich das ewige Frage- und Antwortspiel zwischen den Zuhörern und Vakirtsis verfolge, erlahmt mein Interesse etwas. Erst gegen Ende der Sendung stoße ich auf eine Aussage von Vakirtsis, die mich wieder aufhorchen läßt.
     
    Was gäbe es dagegen einzuwenden, wenn unsere Nachbarländer auf dem Balkan einen wirtschaftlichen Aufschwung nähmen? Diejenigen, die im Land selbst Arbeitsplätze schaffen und Investitionen tätigen, leisten sowohl ihnen als auch uns einen viel größeren Dienst. Wenn Stefanakos unseren Nachbarn auf dem Balkan helfen möchte, soll er doch die Griechen unterstützen, die dort unternehmerisch tätig werden, und nicht die Ausländer, die uns hier die Arbeit wegschnappen.
     
    Das also war Vakirtsis’ doppeltes Spiel. Einerseits ritt er eine heftige Attacke gegen Stefanakos, die diesem politisch schadete, andererseits jedoch hielt er den Weg zu Stefanakos’ Ehefrau offen, die Gelder und daher auch Arbeitsplätze für die Balkanländer sicherte. Das war die Botschaft. Er ließ Stefanakos indirekt wissen, daß auch er und sein Bruder Menelaos sich für ein Engagement auf dem Balkan interessierten.
    Wieso hat Stefanakos Vakirtsis nicht vor Gericht gebracht? Er hätte mit Leichtigkeit eine Verleumdungsklage anstrengen können. Wieso hat er es nicht getan? Aus verstaubtem Gesinnungsgenossentum und verspäteter Solidarität? Wohl kaum. Denn da ist noch dieser Scheck des Bukarester Geldinstituts über dreihunderttausend Euro, der sich in Vakirtsis’ Besitz befand.

44
    D ie Stathatou hält ihren Blick auf die Fotokopie des Schecks aus Bukarest geheftet. Sie ringt nicht mit dem Rumänischen, sondern versucht bloß Zeit zu gewinnen, um sich klarzuwerden, wie sie mir, dem Überbringer des Schecks, gegenübertreten soll.
    »Woher haben Sie den?« fragt sie schließlich.
    »Aus einer von Apostolos Vakirtsis’ Schreibtischschubladen. Zusammen mit anderen Beweisen, die er aufbewahrte. Darunter war auch die Aufzeichnung einer Sendung über Ihren Mann.«
    »Ah, die berühmtberüchtigte Sendung«, bemerkt sie vage.
    Darauf folgt ein verlegenes Schweigen. Die Stathatou weiß nicht, wie sie fortfahren soll, und ich nicht, wie ich anfangen soll. Ich frage mich, ob ich gleich die Katze aus dem Sack lassen oder lieber noch eine Weile um den heißen Brei herumreden soll. Schließlich wähle ich die erste Variante, da mich das Herumreden bestimmt in heillose Verwirrung stürzen würde.
    »Hat Apostolos Vakirtsis Sie erpreßt?«
    Fast automatisch setzt sie ihre lässigarrogante Miene auf. »Kommen Sie, Herr Kommissar. Sie sehen Gespenster …«
    »Vakirtsis hat sich in der Sendung scharf gegen Ihren Mann geäußert. Hatte Vakirtsis Ihrer Meinung nach noch andere Motive für seine Attacke?«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Nein, er hat geglaubt, was er sagte. Nach dem Fall der sozialistischen Regime kam der Linksnationalismus sehr in Mode.«
    »Kann sein, aber gegen Ende der Sendung hat Vakirtsis eine Andeutung fallenlassen.« Ich ziehe einen Zettel aus der Tasche, auf dem ich Vakirtsis’ Aussage notiert habe. » Was gäbe es dagegen einzuwenden, wenn unsere Nachbarländer auf dem Balkan einen wirtschaftlichen Aufschwung nähmen? Diejenigen, die im Land selbst Arbeitsplätze schaffen und Investitionen tätigen, leisten sowohl ihnen als auch uns einen viel größeren Dienst. Mit dieser Bemerkung winkt er mit dem Zaunpfahl, Frau Stathatou. Er läßt Sie wissen, daß er Ihr Tun

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