Live!
hatte sich Koula telefonisch gemeldet und berichtet, daß ich Favieros’ Rechner in Porto Rafti als Beweismittel abschreiben könne. Ergo steht keine weitere erschütternde Neuigkeit zu erwarten. Außer, Logaras spielt mir eine neue Biographie in die Hände. Bei diesem Gedanken überkommt mich ein Schauder, aber ich versuche mich selbst davon zu überzeugen, daß so etwas nicht eintreten wird.
Zu Hause finde ich alles ruhig vor, und ich atme erleichtert auf. Adriani sitzt auf ihrem Ehrenplatz vor dem Fernseher. Die Klimaanlage läuft auf Hochtouren, und das Zimmer ist schön kühl. Seit einigen Tagen nimmt sie das Klimagerät regelmäßig in Betrieb.
»Aha, anscheinend hast du dich schon ganz gut an die Klimaanlage gewöhnt«, sage ich, um sie ein wenig zu provozieren.
»Ich schalte sie ein, damit wir das Geld nicht sinnlos zum Fenster hinausgeworfen haben«, ist ihre schlagfertige Antwort. Ich nehme neben ihr Platz, um bis zur Nachrichtensendung ein wenig fernzusehen, aber es stehen nur uninteressante Diskussionsrunden oder Quizsendungen zur Auswahl. Bereits nach fünf Minuten habe ich es satt. Ich bereite mich schon auf die Flucht zu meinen Wörterbüchern vor, als mir plötzlich zwei Hände von hinten die Augen zuhalten.
»Katerina!« rufe ich aus, da sie mich von klein auf damit geneckt hat.
»Unser Spiel hast du nicht vergessen, was?« höre ich ihre Stimme sagen, während sich ihre Hände von meinen Augen lösen und um meinen Hals schlingen.
»Wann bist du gekommen?«
»Mit dem Zwölf-Uhr-zehn-Zug aus Thessaloniki. Kurz nach sechs war ich hier.«
»Und warum hast du uns nicht Bescheid gesagt?«
»Weil ich dich auf genau diese Art überraschen wollte«, antwortet sie.
»Wie lange bleibst du?« frage ich, während ich sie umarme. Sobald sie nach Hause kommt, überfällt mich sofort die Angst vor ihrer Abreise.
»Ich werde eine Woche hierbleiben. Dann fahre ich mit Fanis in Urlaub, und im August, wenn Athen ganz menschenleer ist, bin ich wieder da.«
»Sieh bloß zu, daß wir auch im Juli in die Ferien fahren können, denn im August kommen wir nicht mehr weg«, mischt sich Adriani ein.
»Wir fahren ganz bestimmt. Dieser Fall wird sich ohnehin nicht mehr lange hinziehen.«
»Meinst du wirklich?« fragt Katerina.
»Aber ja, mein Schatz. Entweder finden unsere Ermittlungen oder die Selbstmorde ein Ende.«
»Und wenn die Selbstmorde nicht aufhören?« fragt Adriani. Unken ist ihr Hobby.
»Dann fahren wir einfach weg und lassen den Fernseher ausgeschaltet.«
Fast glaube ich selbst an meine Worte. Der Gedanke ist mir unerträglich, daß ich in der Athener Bruthitze sitzen und auf die Rückkehr meiner Tochter aus dem Urlaub warten sollte. Da wäre es mir doch viel angenehmer, auf der Insel im Schatten zu sitzen und die Tage bis zu meiner Rückkehr nach Athen zu zählen, wo meine Tochter schon auf mich wartet.
45
S eit Monaten haben wir kein gemeinsames Frühstück mehr in der Küche genossen. Das letzte Mal muß vor meinem Krankenhausaufenthalt gewesen sein. Nun ist es neun Uhr morgens, und alle drei sitzen wir um den Küchentisch: Adriani mit ihrem Tee, Katerina mit ihrem Kaffee-Frappé und ich mit meinem süßen Mokka. Gerade haben wir den ersten Schluck getrunken, als mir auffällt, daß Adriani immer wieder schräg zu Katerina hinblickt. Das schreibe ich zunächst der Tatsache zu, daß Katerina lange weg war und sie sich an ihr nicht satt sehen kann. Aber, wie gewöhnlich, liege ich falsch.
»Sag mal, Papilein, hättest du etwas dagegen, Fanis’ Eltern kennenzulernen?« fragt Katerina plötzlich.
Sogleich habe ich eine Interpretation für Adrianis schräge Blicke zur Hand: Sie saß auf glühenden Kohlen, wann es ihre Tochter endlich zur Sprache bringen würde. Irgendwie muß auch ich mit dieser Frage gerechnet haben, denn sie überrascht mich ganz und gar nicht.
»Da liegt wohl eine Verlobung in der Luft, was?« frage ich gelassen.
»Also, ich weiß nicht, ist das nicht seltsam: Fanis kennt meine Eltern, ich kenne Fanis’ Eltern, aber seine und meine Eltern haben einander noch nie gesehen? Also haben wir beschlossen, euch miteinander bekannt zu machen, bevor wir in Urlaub fahren.« Sie hält kurz inne und fügt verhalten hinzu: »Fanis’ Eltern freuen sich schon sehr.«
»Die Frage ist, ob du und Fanis es auch wollt.«
»Wir wollen es auch«, entgegnet sie ohne Zögern.
»Dann leg einen Termin deiner Wahl fest.«
Sie steht auf und drückt mir einen Kuß auf die Backe.
»Und wenn wir
Weitere Kostenlose Bücher