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Und woher stammten sie? Daran schließt sich gleich die nächste Frage an: Wenn die Beweise so schlagend sind, wieso gelangten sie dann bislang nicht an die Öffentlichkeit? Wie ist es denn möglich, daß so lange nichts durchgesickert ist? Die Rede ist doch von drei allseits bekannten Persönlichkeiten. Ist es denkbar, daß alle drei dermaßen dunkle Punkte in ihrer Vergangenheit haben, daß sie lieber starben, als daß sie die Schmach einer Enthüllung ertrugen? Und daß niemand außer Logaras je etwas davon gehört hatte? Und wenn bislang noch niemand diese Beweise kannte, woher hatte sie dann Logaras?
Als ich gegen sechs Uhr morgens wieder ins Bett ging, waren diese Fragen noch immer unbeantwortet. Und der Schlaf war mir vergangen. Mit Müh und Not war es mir gelungen, gegen acht wieder einzunicken, als ich zum zweiten Mal hochschreckte, diesmal, weil das Telefon schrillte. Es war Gikas. Der Minister erwarte uns um zehn. Bevor ich aufbrach, trug ich Koula auf, zusammen mit ihrem Cousin in der Firma DOMITIS Favieros’ Rechner auf den Kopf zu stellen. An einen neuerlichen Fund glaubte ich zwar nicht, aber wir sicherten uns besser nach allen Seiten ab.
Nun sitze ich mit Gikas dem Minister gegenüber, der gerade die beiden Versionen von Vakirtsis’ Biographie vergleicht – die eine, die Logaras mir zugeschickt hat, und die andere, die wir über Vakirtsis’ Rechner ausgedruckt haben. Ich habe beide mitgebracht, um nachzuweisen, daß sie identisch sind.
Er hebt den Kopf und fragt bedächtig: »Glauben Sie, daß er an alle drei die Biographie vorab geschickt hat?«
Da breite ich meine ganze Theorie vor ihm aus, die Gikas bereits auf der Herfahrt unter zustimmendem Nicken angehört hat. Zuerst erläutere ich ihm, daß meiner Meinung nach der öffentliche Selbstmord Logaras’ Vorbedingung für die Publikation der Biographie war. Dann erkläre ich ihm das, was ich mir im Morgengrauen zurechtgelegt habe: daß Logaras Belastungsmaterial besaß und die Biographie ihnen den Ausweg eines würdigen Abgangs bot. Sie konnten zwischen öffentlichem Selbstmord und gesichertem Nachruhm oder Weiterleben und Gesichtsverlust wählen.
»Was für Enthüllungen konnte dieser Logaras bloß in der Hand haben?« fragt mich der Minister.
»Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn ich herausgefunden habe, wer er ist. Ich glaube, daß er zu ihrem engsten Umfeld gehört, höchstwahrscheinlich jemand aus ihrer Vergangenheit.«
Er blickt mich neugierig an. »Woraus schließen Sie das?«
»Die Enthüllungen können nur die Vergangenheit betreffen. Denn wenn es anrüchige Geschichten aus der Gegenwart wären, wüßte die Presse bereits Bescheid, und man hätte längst darüber berichtet. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, daß irgendein dunkles Geheimnis sie aneinanderkettet. Es ist kein Zufall, daß die drei, die eine gemeinsame Vergangenheit hatten, auch in der Gegenwart zusammenarbeiteten. Wenn auch mit Vakirtsis nur, weil er sie dazu nötigte.«
Der Minister blickt uns beide an, und seine Miene läßt darauf schließen, daß er dem nichts entgegenzusetzen hat. »Wie stehen unsere Chancen, Logaras’ Identität aufzudecken?«
»Es gibt nur eine Hoffnung: daß er selbst sie enthüllt«, entgegnet ihm Gikas. »Unsere Chancen sind minimal. Er verbirgt sich hinter einem Pseudonym, und bislang ist es ihm gelungen, seine Spuren zu verwischen.«
Der Minister lehnt sich in seinem Sessel zurück und blickt uns ernüchtert an. »Mit anderen Worten, wir sind ihm ausgeliefert.«
»Nicht ganz. Wir können den umgekehrten Weg einschlagen«, halte ich ihm entgegen. »Wir können die Vergangenheit der drei durchforsten, um hinter ihr gemeinsames Geheimnis zu kommen. Wenn uns das gelingt, stehen die Chancen gut, daß wir im Zuge dessen auch Logaras’ Identität aufdecken.«
»Und was benötigen Sie dafür?«
»Wir müssen nicht nur die Dienststelle mobilisieren«, greift Gikas ein, »sondern auch das Fachdezernat für Wirtschaftskriminalität und die Steuerfahndung.«
»Ist es ausgeschlossen, daß die Sache in irgendeiner Weise mit der Junta zu tun hat? Etwa, daß sie unter Folter andere denunziert haben und Logaras davon wußte?«
»Das sind verjährte Geschichten, Herr Minister. Danach kräht kein Hahn mehr.«
»Außerdem ist es unwahrscheinlich, daß alle drei Denunzianten sind«, füge ich hinzu. »Hoffentlich sind nicht noch andere in diese Geschichte verwickelt, denn sonst hat das Ganze noch immer kein Ende.«
»Nun gut. Ich werde
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