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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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wollt«, mischt sich Adriani vom Rücksitz aus ein, »dann hat der Fernsehsender da seine Finger im Spiel.«
    »Wie denn?« wundert sich Fanis.
    »Hast du einmal mitgezählt, wie viele Werbespots jedesmal geschaltet werden, wenn sie die Szene mit dem Selbstmord zeigen? Und da zähle ich diejenigen gar nicht mit, die in den verschiedenen Sendungen und Talkshows auf uns einprasseln.«
    Ich drehe mich um und blicke sie verdattert an. »Was willst du damit sagen? Daß der Sender sie dazu bringt, Selbstmord zu verüben, um die Quote zu steigern? Zuerst einmal, woher willst du wissen, daß Stefanakos sich im selben Sender wie Favieros umgebracht hat?«
    »Wart’s ab, du wirst schon sehen«, entgegnet sie ungerührt.
    »Na gut, aber wie bringt man sie dazu?« wendet sich Fanis an Adriani. »Mit Geld? Keiner von beiden hatte das nötig.«
    »Ich weiß nicht, aber ich kann dir eines sagen: Geld hat schon so mancher verschmäht, den Nachruhm noch keiner«, meint Adriani und hat damit das letzte Wort.
    Ich breche das Gespräch ab, denn es ist unmöglich, ihr beizukommen. Das Mißtrauen liegt ihr im Blut. Ich bekomme eine Gehaltserhöhung, und sie ist sicher, daß man mich übers Ohr gehauen hat und ich im Grunde weniger als vorher kriege. Sie liest, daß die U-Bahn innerhalb der gesetzten Frist fertiggestellt wird, und zweifelt keinen Augenblick daran, daß die Bauherren die Hälfte der Stützpfeiler eingespart haben, um rechtzeitig fertig zu sein, und in drei Monaten alles in Schutt und Asche liegen wird. Sie hört, das Zypernproblem sei gelöst, und lächelt wissend. Ihrer Meinung nach muß dafür der Premierminister von den Türken geschmiert worden sein. Was ich nicht verstehe, ist: Wie kommt es, daß ein von solch tiefstem Mißtrauen unterhöhltes Griechenland Männer wie Janoutsos in das Polizeikorps aufnimmt?
    Wegen der Hitzewelle sind alle Leute aus der Stadt gefahren, und Fanis findet direkt vor unserem Haus einen Parkplatz. Wir öffnen die Wohnungstür und stürmen alle gemeinsam zum Fernseher. Und gleich beim zweiten Drücken auf die Fernbedienung finden wir den richtigen Sender. Den erkennt man an den zugeschalteten Experten, die sich zwischen ihren eingeblendeten Fensterchen angeregt unterhalten. Es ist derselbe Fernsehsender, den auch Favieros für seinen Selbstmord auserkoren hatte.
    »Na bitte, was habe ich euch gesagt!« triumphiert Adriani.
    Ich bin drauf und dran loszuschimpfen, aber das Klingeln des Telefons kommt mir zuvor. Ich hebe den Hörer ab und erkenne Gikas’ Stimme.
    »Haben Sie’s gesehen?« fragt er.
    »Nein. Ich war ausgegangen und bin gleich nach Bekanntwerden der Tat nach Hause zurück. Jetzt warte ich auf die Szene.«
    »Sehen Sie sich’s an und rufen Sie mich dann zurück.«
    Ich lege auf und kehre vor den Fernseher zurück. Auf dem unteren Teil des Bildschirms – dort, wo bei einer griechischen Wohnhausanlage die Stützpfeiler stünden – sitzt der Moderator mit zwei von Stefanakos’ Kollegen: einer aus seiner Partei und einer von der Opposition. In den Experten-Fensterchen der beiden oberen Stockwerke tummelt sich einiges Volk. Alle überbieten sich an Lobreden auf Loukas Stefanakos. Wie scharfsinnig und angriffslustig er als Parlamentarier gewesen sei, aber auch wie respektvoll er dem moralischen Anspruch des Parlaments begegnete. Mit welch großer Hingabe er Gesetzesentwürfe bekämpfte, die nur politischen Interessen dienten, und welch große Lücke sein Tod im Parlament hinterlassen habe. Der Moderator geht dann zu der kürzlich von Stefanakos ins Leben gerufenen Kampagne zur Anerkennung der Rechte von Wirtschaftsflüchtlingen über. Er hatte nämlich die Einführung von muttersprachlichem Unterricht an den öffentlichen Schulen und die Möglichkeit für sie gefordert, Vereine zur Erhaltung ihrer kulturellen Identität zu gründen. Die Lobeshymnen finden hiermit ein Ende und gehen in vorsichtige Einwände über, da niemand mit Stefanakos’ Position übereinstimmt. Der Parlamentarier der Oppositionspartei vertritt die Meinung, Stefanakos habe gerne Auseinandersetzungen angefacht, um dem Zeitgeist zu huldigen. Der Parlamentarier aus seiner eigenen Partei meint, Stefanakos sei in der letzten Zeit sehr enttäuscht über die konservative Wende im gesamten politischen Spektrum gewesen. Die übrigen greifen diese Bemerkung auf und fragen sich, ob er die konkrete Sendung für einen heroischen Abgang, für einen öffentlichen Protestschrei sozusagen, ausgesucht haben könnte.
    »Wir

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