Live!
Wohnung ein Stück von hier entfernt, in der Monis-Arkadiou-Straße. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was daraus geworden ist. Aber der Makler wahrscheinlich genausowenig.«
Sie hat für alles eine Antwort parat, und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihrem Plan zuzustimmen. Wir fahren über die Syrrakou-Straße und umrunden anschließend den Pandasopoulou-Platz. Das Maklerbüro lokalisieren wir, kurz bevor wir die Runde vollenden, in der ersten Etage eines kleinen Wohnhauses.
Es ist in einer Wohnung untergebracht, die aus zwei Durchgangszimmern mit einer Schiebetür dazwischen besteht. Dem Eingang gegenüber sitzt eine unscheinbare junge Frau, die Kaugummi kaut und Papiere in einen Ordner einsortiert. Im Büro nebenan ist ein Fünfunddreißigjähriger in T-Shirt, Leinenhose und mit kahlrasiertem Schädel in den Anblick seines Computerbildschirms versunken. Früher wurden die jungen Männer kahlrasiert, wenn sie zum Militär mußten. Heute rasieren sie sich den Schädel, wenn sie die Entlassungspapiere in der Hand haben. Die Atmosphäre ist stickig, trotz der Ventilatoren, die in beiden Räumen an der Zimmerdecke rotieren.
»Ja bitte«, meint die junge Frau und unterbricht ihre Archivierungstätigkeit, aber nicht das Kaugummikauen.
»Wir würden gern Herrn Iliakos sprechen.«
»Herr Iliakos ist in Rente gegangen«, wirft der Fünfunddreißigjährige lächelnd ein. Dann erhebt er sich von seinem Platz und streckt uns seine Hand entgegen. »Megaritis. Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Es geht um eine Immobilie –«, hebe ich an.
»Ein Kaffee vielleicht?« unterbricht er mich unversehens, als wäre ihm etwas überaus Wichtiges eingefallen. »Wir haben Nescafé … Oder griechischen Mokka vielleicht? Ein Frappé wirkt bei dieser Hitze Wunder.«
Ich lehne höflich ab, doch Koula nimmt das Angebot an. »Ein Frappé mit wenig Zucker und Milch würde ich gerne trinken.«
Ich werfe ihr einen Blick zu. Sie sitzt mit zusammengepreßten Knien und einem naiven Lächeln auf den Lippen da wie eine züchtige Jungfrau, die in der Gegenwart ihres Vaters sehr zurückhaltend agiert. Die Sekretärin erhebt sich gelangweilt und verschwindet hinter einer Tür, die offenbar zu einer Kochnische führt.
»Es handelt sich um eine Wohnung«, hebe ich erneut an. »Ich würde sie gerne verkaufen, um für … Koula etwas in einer besseren Gegend zu kaufen.«
Beim Wörtchen »verkaufen« beginnt Megaritis den Kopf zu wiegen und stößt einen fatalistischen Seufzer aus, als sprächen wir nicht über das heruntergekommene Sepolia, sondern über den Niedergang von Byzanz.
»Wo genau liegt denn die Wohnung?«
»In der Monis-Arkadiou-Straße«, beeilt sich Koula zu antworten, aus Angst, ich könnte die von ihr genannte Adresse vergessen haben. »Es ist eine Dreizimmerwohnung um die fünfundachtzig Quadratmeter.«
Megaritis trägt einen Gesichtsausdruck zur Schau, als müsse er uns etwas überaus Unangenehmes mitteilen und wisse nicht, wie er es uns beibringen solle.
»In dieser Gegend, mein Herr, spielt sich eine Tragödie ab. Die kleinen Leute, die Eigentümer, die sich ein Häuschen oder eine Wohnung vom Mund abgespart haben, müssen hilflos zusehen, wie ihr Besitz immer mehr an Wert verliert. Sie verkaufen zu Schleuderpreisen und ziehen weg, denn die Wohngegend ist auf den Hund gekommen.«
Sieh mal einer an, denke ich mir. Auf seinen Baustellen gab Favieros den Schutzherrn der Ausländer und Flüchtlinge, während sich seine Angestellten in den Maklerbüros in die verwinkelten Gäßchen der alten Wohnviertel zurücksehnen und auf die Wirtschaftsflüchtlinge schimpfen, die das ländliche Idyll angeblich zerstört haben.
»Ja, aber wenn sie verkaufen, heißt das doch, daß sich Käufer dafür finden«, bemerkt Koula ganz praktisch.
»Zu dem Preis, zu dem sie die Wohnungen hergeben, schlägt jeder zu.«
»Und wie sieht dieser Preis aus?« fragt Koula.
Megaritis seufzt auf. »Ich geniere mich, ihn zu nennen … Ich geniere mich wirklich …«
»Schießen Sie los«, meine ich. »Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
»In der Monis-Arkadiou-Straße, sagten Sie? Ein Einfamilienhaus oder eine Wohnung?«
»Eine Wohnung.«
»Größe?«
»Drei Zimmer. Fünfundachtzig Quadratmeter.«
»Warten Sie mal.« Er denkt kurz nach. Dann wendet er sich zu mir. »Sie haben Glück, wenn Sie dafür etwa sechsundzwanzigtausend Euro bekommen«, meint er. »Wahrscheinlicher kommen mir so an die dreiundzwanzigtausend vor …«
»Was soll das heißen?«
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