Live!
Koula springt hoch und verschüttet dabei fast ihr Frappé. »Soviel bezahlt man ja für die Anpassung des Bebauungsfaktors!«
Sie ist dermaßen außer sich, als würde sie tatsächlich eine Wohnung verkaufen wollen. Ich nicke zustimmend und bemühe mich, mir die Verwunderung über ihre heftige Reaktion nicht anmerken zu lassen. Megaritis lächelt betrübt.
»Die guten alten Zeiten sind vorbei, mein Fräulein. Jetzt interessiert sich keiner mehr für die Anpassung des Bebauungsfaktors in diesen Wohngegenden. Deshalb verschleudern die Leute ihre Habe.« Er nimmt eine Visitenkarte von seinem Schreibtisch und übergibt sie mir, mit seiner standardmäßig betrübten Miene. »Was soll ich Ihnen sonst noch sagen … Lassen Sie es sich durch den Kopf gehen, und wenn Sie sich entschlossen haben, wenden Sie sich an uns … Rufen Sie mich einfach an, damit wir einen Besichtigungstermin vereinbaren und Sie mir die Schlüssel übergeben …«
Beim Hinausgehen fügt er noch hinzu: »Meiner Meinung nach sollten Sie sich beeilen. Die Preise purzeln von Tag zu Tag. Heute kriegt man noch drei- bis sechsundzwanzigtausend, morgen vielleicht nur mehr zwanzig.«
Koula würdigt ihn keines Blickes mehr. Ich bin etwas entgegenkommender. »In Ordnung, wir werden darüber nachdenken und gegebenenfalls mit Ihnen Kontakt aufnehmen.«
»Unglaublich, so ein Gauner!« bricht es aus Koula heraus, als wir auf die Straße treten. »Sechsundzwanzigtausend Euro! Für sechsundzwanzigtausend Euro kriegt man nicht mal eine Garçonnière!«
Ich bin auf dem Gehsteig stehengeblieben und blicke sie an. Da wir das Maklerbüro verlassen haben, kann ich nun meiner Verwunderung freien Lauf lassen.
»Woher wissen Sie denn über Immobilienpreise, die Anpassung des Bebauungsfaktors und ähnliches so gut Bescheid?«
Plötzlich sieht sie mich mit einem gewollt betrübten Ausdruck an. »Haben Sie schon vergessen, daß ich einmal mit einem Bauunternehmer verlobt war?«
Richtig, ich hatte den Bauunternehmer ganz vergessen, der im Stadtteil Dionyssos illegal Häuser hochzog. Sobald er mit Koula verlobt war, fing er jedesmal an, sich auf Gikas zu berufen, wenn er Schwierigkeiten mit der Polizei bekam. Gikas seinerseits bekam Wind davon und drohte Koula mit Versetzung, worauf sie dem Bauunternehmer die Tür wies.
»Wie sollen wir weiter vorgehen, was meinen Sie, wo Sie doch die Tricks kennen?« frage ich.
»Wenn Sie es mich alleine auskundschaften lassen, kann ich Ihnen morgen Bericht erstatten«, schlägt sie vor.
»Wieso? Was, meinen Sie denn, könnten Sie alleine herauskriegen, was wir zu zweit nicht erfahren würden?«
»Ich kenne die Gegend.«
Ich blicke sie an. Ich bin mir gar nicht sicher, daß sie ohne mich besser zurechtkommt. Doch ich sehe ihr an, wie gern sie es selbst probieren möchte, und gebe klein bei. Wenn Sie nichts herausbekommt, kann ich morgen diskret nachhaken und die Nachforschungen ergänzen.
»In Ordnung.«
»Ich danke Ihnen«, sagt sie strahlend.
Sie kommt mit zum Mirafiori, um ihre Sachen mitzunehmen. Als wir uns verabschieden, beugt sie sich vor und drückt mir einen Kuß auf die Backe.
»Schon gut, Sie haben es überstanden. Wir sind nicht mehr Vater und Tochter«, necke ich sie.
»Sie sind der einzige männliche Kollege, der mir mehr zutraut als Akten ablegen und Kaffee kochen«, entgegnet sie ganz ernst.
Ich blicke ihr nach, wie sie sich raschen Schrittes entfernt, und starte den Mirafiori.
18
N achmittags hat sich zur großen Hitze eine schreckliche Schwüle hinzugesellt, die einem die Kleider am Leib kleben läßt wie Briefmarken. Fanis ist um neun vorbeigekommen, um sich mit uns zusammen draußen Kühlung zu verschaffen. Dabei sind wir in der Taverne Barba-Thanassis gelandet, in einem kleinen Innenhof, der parallel zum Pentelis-Boulevard liegt. Er hat sie erst vor einigen Tagen mit Freunden entdeckt und den Innenhof in angenehm kühler Erinnerung. Womit er nicht unrecht hat, denn immer wieder streift uns ein sanftes Lüftchen. Außerdem ist es eine alte griechische Taverne, eine der letzten im modernen Athen, die Gerichte wie blanchierte Wildkräuter, schwarz gesprenkelte Bohnen und gelbes Erbsenpüree auf der Speisekarte hat.
Adriani findet die Bohnen ›eine Spur‹ zu roh, das Erbsenpüree ›eine Spur‹ zu wäßrig und die Hackfleischbuletten ›eine Spur‹ zu heftig angebraten. ›Eine Spur‹ setzt sie jedesmal vor ihren Eindruck, um die Wirkung etwas abzuschwächen, da sie fürchtet, Fanis zu beleidigen, der
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