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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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den neusten Stand. Adriani ist nicht da.
    »Sie ist T-Shirts für Ihre Tochter kaufen gegangen«, erläutert Koula, »damit sie bei der Hitze was zum Anziehen hat.«
    Ich habe ihre Manie noch nie verstanden, Katerina irgendwelchen Kram zu kaufen und als Paket mit dem Fernbus zu schicken, wenn ihre Tochter dieselben Dinge zu demselben Preis, wenn nicht gar billiger, in Thessaloniki einkaufen kann.
    »Vor dem Weggehen hat sie mir gesagt, ein gewisser Sotiropoulos habe sich gemeldet und Sie sollten ihn zurückrufen.« Koula blickt mich neugierig an. Sie kennt Sotiropoulos, so wie sie auch meine Antipathie gegen Reporter kennt. Daher beeindruckt es sie, daß mich ausgerechnet Sotiropoulos zu Hause anruft. Ich schwanke, ob es besser ist, ihr die Wahrheit zu sagen oder irgendeine Ausrede zu erfinden. Schließlich entscheide ich mich für die Wahrheit.
    »Also stimmt es, was ich unserem Chef gesagt habe. Nämlich, daß Sie weitaus flexibler sind, als es den Anschein hat«, meint sie mit einem listigen Lächeln.
    »Er aber nennt mich einen sturen Hund«, füge ich hinzu, weil ich den Text kenne.
    »In etwa.«
    »Mein Kontakt zu Sotiropoulos bleibt aber unter uns.«
    »Wie Sie wollen, aber Sie verpassen eine günstige Gelegenheit, in Gikas’ Wertschätzung zu steigen.«
    Der Zug ist längst abgefahren, darum hätte ich mich früher kümmern müssen. So berichte ich ihr über den Wunsch der Regierung, die beiden Selbstmorde, in der Hoffnung auf eine baldige Aufklärung des Falles, diskret zu untersuchen. Dabei lasse ich Petroulakis unerwähnt und behalte auch seine Anregung, die Selbstmorde der Vereinigung Philipp von Makedonien anzulasten, für mich. Am Schluß erzähle ich ihr von der Begegnung mit Kariofyllis, dem Notar. Und über Sissis verliere ich kein Wort.
    Sobald ich mit der Berichterstattung zu Ende bin, rufe ich Sotiropoulos auf seinem Handy an.
    »Wir müssen reden«, sagt er, sobald er meine Stimme erkennt. »Wo kann ich Sie treffen?«
    »Ich habe einen Termin in Polydrosso, danach bin ich frei.«
    »Schön. Ich bin in etwa zwei Stunden fertig. Treffen wir uns im Flocafé in Kifissia. Wer zuerst da ist, wartet.«
    Das Wetter hat umgeschlagen. Schwarze Wolken ziehen über den Himmel, und eine schreckliche Schwüle hat sich breitgemacht. Zum zweiten Mal heute fahre ich über den Vassilissis-Sofias-Boulevard. Bis ich auf den Kifissias-Boulevard gelange, hat sich der Himmel dermaßen verdunkelt, als sei jäh die Dämmerung hereingebrochen.
    Irini Leventojanni, die Dame, die ihre Wohnung in der Larymnis-Straße an den Pontusgriechen verkauft hat, wohnt in der Korai-Straße 3 in Polydrosso. In der Varnali-Straße frage ich beim Kioskbesitzer an der Ecke nach. Das beste sei, über die Kanari-Straße zu fahren und die zweite Querstraße links zu nehmen.
    »Wie sollten wir Ihrer Meinung nach bei Frau Leventojanni vorgehen?« frage ich Koula.
    »Genauso wie beim Notar. Wir sagen folgendes: Der Notar und der Makler hätten die Differenz schwarz eingestrichen, jetzt erhebe der Pontusgrieche Anklage, und die untersuchten wir.«
    »Meinen Sie, das wirkt?«
    »Warum nicht? Griechen haben immer mehr Angst vor dem Finanzamt als vor der Polizei. Außer, Kariofyllis hat ihr Bescheid gegeben.«
    »Das halte ich für ausgeschlossen, sollte man Frau Leventojanni übers Kreuz gelegt und ihr Geld einkassiert haben. Wenn man ihr Bescheid gegeben hat, heißt das, alle stecken unter einer Decke.«
    Die Hausnummer drei in der Korai-Straße ist ein vierstöckiger Neubau mit einem Grünstreifen mit pilzförmigen Lämpchen davor. Wir gehen die Klingelschilder durch, Frau Leventojanni wohnt in der dritten Etage.
    Als die Wohnungstür aufgeht, steht eine mollige Fünfundvierzigjährige mit rundlichem Gesicht vor uns, deren Kleider in allen Farben des Regenbogens leuchten. Sie trägt ein zuvorkommendes Lächeln im Gesicht, das, sobald wir unsere Identität lüften, erlischt und von tiefer Besorgnis abgelöst wird.
    »Sifis?« stammelt sie.
    »Welcher Sifis denn?« frage ich.
    »Mein Sohn. Ist ihm etwas zugestoßen?«
    »Nein, nein, machen Sie sich keine Sorgen«, beschwichtigt Koula sie lachend. »Ihr Sohn ist unversehrt, wir sind wegen etwas anderem hier.«
    Die Leventojanni stößt einen erleichterten Seufzer aus und schlägt das Kreuzzeichen. Dann tritt sie zur Seite und läßt uns herein. Ähnlich wie die Farben ihrer Kleider springen einem die Grünpflanzen ins Auge, die ihre Wohnung wie ein Treibhaus aussehen lassen. Sie wuchern vom

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