Live Fast, Play Dirty, Get Naked
falls ich wieder losrennen würde.
Doch er hätte sich keine Sorgen machen müssen.
Ich würde nirgendwohin laufen.
Der Regen war schwächer geworden und ich fing an zu zittern. Es war eigentlich nicht kalt, aber ich hatte keine Jacke an und war klatschnass, und der Schweiß vom schnellen Rennen kühlte mich zu stark ab …
Ich bewegte die Schultern …
Schlang die Arme um meinen Körper.
Trampelte mit den Füßen.
Ich fühlte mich albern und hässlich und nass …
Verlegen.
»Lili?«
Ich schaute auf, als William auf mich zutrat.
Ich wusste nicht, wie ich mich fühlte …
»Hier«, sagte er, zog seine Jacke aus und legte sie mir sanft um die Schultern. »Gott, du frierst dich ja zu Tode. Komm her …«
Er legte die Arme um meinen Körper, drückte mich eng an sich und gab mir von seiner Wärme ab. Ich zitterte jetzt richtig, zitterte am ganzen Leib und klapperte mit den Zähnen, und als er meinen Kopf an seine Schulter drückte, weinte ich wie ein kleines Kind.
Während wir den Hügel hinab zu einem griechischen Café liefen, das William kannte, erzählte ich ihm von Curtis und Charlie Brown. Solange ich sprach, sagte er nichts, sondern hörte nur zu, und als ich fertig war – genau genommen dauerte es nicht lange –, legte er mir bloß seine Hand auf die Schulter und meinte ganz ernsthaft, es täte ihm leid.
»Na ja«, sagte ich. »Ich hätte es wahrscheinlich kommen sehen müssen. Ich meine, ich hab ja gewusst , dass er auf sie steht … und dann nach dem Ganzen, was gestern Nacht los war …« Ich sah William an und begriff, dass er natürlich nicht wusste , was in der Nacht passiert war, denn er war ja nicht da gewesen … er hatte sich stattdessen mit drei IRA-Männern in einer Autowerkstatt unter einer Eisenbahnbrücke getroffen, einer Werkstatt voller Waffen und Sprengstoff …
»Nancy hat mir erzählt, dass du da warst und mich gesucht hast«, sagte er.
Ich antwortete nicht, sondern sah ihn nur weiter an.
»Hör zu, es tut mir leid«, sagte er. »Ich meine, es tut mir leid, wegen Joes Geburtstagsparty gelogen zu haben und so weiter, aber es …« Er seufzte. »Nun ja, ich war eben mit Leuten verabredet …«
»So? Was denn für Leuten?«
Er sah mich an. »Ich hatte nicht die Absicht , den Auftritt zu verpassen, Lili. Ich dachte, ich würde es rechtzeitig schaffen. Aber in letzter Sekunde ist was dazwischengekommen …«
Wieder sagte ich nichts, sondern ging nur weiter … wartete ab, ob er die Wahrheit erzählen würde oder zumindest etwas, das der Wahrheit nahekam.
»Wie ist es überhaupt gelaufen?«, fragte er mich. Ich meine … mit dem Auftritt … habt ihr ohne mich gespielt?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich es nicht rechtzeitig zurückgeschafft hab.«
Er sah mich schief an. »Aber ich dachte, du wärst kurz nach elf von mir zu Hause los? So hat es Nancy zumindest gesagt.«
»Ja, bin ich auch.«
»Und wieso bist du dann nicht rechtzeitig zum Auftritt wieder in Islington gewesen?«
Ich blieb stehen und sah ihn an. Wir hatten das Ende des Stamford Hill erreicht und standen auf dem Gehweg, gegenüber dem Eingang zum Abney-Park-Friedhof. Es hatte aufgehört zu regnen und ein Hauch von Sonne schien durch eine Lücke in den Wolken.
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte ich zu William.
»Wann?«, fragte er und tat so, als ob er nicht wüsste, wovon ich sprach. »Welche Frage?«
»Jetzt gerade … du hast gesagt, du wärst Sonntagabend mit Leuten verabredet gewesen, und ich hab dich gefragt, mit was für Leuten.« Ich sah ihm in die Augen. »Pass auf, William, erzählst du mir die Wahrheit oder nicht? Denn wenn nicht …« Ich zuckte die Schultern. »Ich meine, es ist deine Sache, was du mir erzählen willst, und wenn du mir nicht die Wahrheit sagen willst … auch gut. Sag mir, es geht mich nichts an, dann verschwinde ich und lass dich in Ruhe. Aber wenn du nur vorhast, mich die ganze Zeit weiter anzulügen …«
»Ich hab dich nicht angelogen«, sagte er. »Ich hab dich noch nie angelogen.«
»Doch.«
»Wann?«
»Du hast mich wegen Joes Geburtstagsparty angelogen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hab nicht dich angelogen, sondern Curtis.«
»Ach komm.«
»Okay«, sagte er. »Wann hab ich dich noch angelogen?«
Ich starrte ihn an. »Sag du’s mir.«
»Ich sag’s dir ja …«
»Dann fang endlich an.«
»Womit?«
» Sag’s mir … erzähl mir, wo du Sonntagabend warst. Mit wem du so dringend verabredet warst. Erzähl mir, was du gemacht
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