Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Spiegel niemals schaffen würde, vor sich selbst zu fliehen …
Ich wusste, dass sie ihr Leben lang vor sich weglaufen würde.
Doch als ich den Spiegel hinter mir ließ und die Tür aufriss, wusste ich wieder nichts.
Es regnete heftig.
Der Himmel war schwarz, mit gelben Rändern.
Lauf einfach weiter …
Ich lief den Weg entlang, wischte mir Tränen aus dem Gesicht …
Ich wandte mich nach rechts in Richtung der U-Bahn-Station. …
Und sah eine vertraute Gestalt auf mich zukommen. Dünn, nicht allzu groß, die dunkelbraunen Haare weder lang noch kurz … wie immer in abgetragener schwarzer Jacke und verwaschenem Hemd … und seine Augen …
Gott, seine Augen.
So klar und leuchtend, so voller Leben …
William lächelte, als er mich sah. Und dann, gleich als er merkte, dass ich weinte, verschwand sein Lächeln und er lief mit besorgtem Blick auf mich zu.
»Lili«, sagte er. »Alles in Ordnung mit dir? Was ist los?«
»Ich kann das nicht …«, hörte ich mich murmeln.
»Was? Du kannst was nicht?«
»Ich kann einfach nicht …«
»Lili?«
Aber ich hatte mich schon umgedreht und lief los.
28
Ich lief wieder durch den Regen, lief durch ein weiteres Sommergewitter und der Sturm in meinem Kopf tobte immer lauter, mein dummes totes Herz hämmerte immer wilder, ich war tränenblind und klatschnass, mir war übel, speiübel, in mir war nichts als Wut und Leere und die Gewissheit, dass das Mädchen im Spiegel nie vor sich selbst würde weglaufen können …
Sie würde sich selbst niemals entkommen …
Sie würde immer weiterrennen …
Ich wusste nichts mehr.
Es regnete heftig.
Der Himmel war schwarz …
Lauf einfach weiter …
Renn weiter …
Schau dich nicht um …
Renn einfach.
Ich rannte.
Ich wusste nicht mehr, wieso ich rannte. Ich wusste nicht, wovor ich weglief oder wohin … ich hatte keine Ahnung, wohin ich wollte. Ich lief nur, rannte. Ich konnte nicht aufhören. Ich wusste, wenn ich stehen blieb, und sei es auch nur für einen kurzen Moment, würde ich mich nie mehr vom Fleck rühren können … ich würde einfach auf die Knie sinken, in dem strömenden Regen hocken und das wär’s. Ichwürde nie wieder hochkommen. Ich würde für immer dort hocken bleiben. Und wenn ich für immer dort hocken bliebe …
Lauf einfach weiter …
Ich lief weiter.
Ich weiß nicht, wie lange der Wahnsinn in meinem Kopf anhielt, doch langsam – ganz langsam – ließ das Tosen des Sturms nach und ich kam wieder zur Besinnung. Ich spürte den Regen im Gesicht, ich spürte die Kälte. Ich spürte die Müdigkeit in den Beinen, das Seitenstechen, den Schmerz in der Lunge … ich wusste, dass ich nicht mehr weiterrennen konnte. Ich musste eine Pause machen. Und als ich langsamer wurde, stehen blieb und mich umsah, begriff ich, dass ich die ganze Strecke hinauf bis nach Stamford Hill gerannt sein musste, oben die Kreuzung überquert hatte und jetzt auf dem Weg hinunter Richtung Stoke Newington war.
Es war eine lange Strecke.
Doch endlich war ich stehen geblieben.
Ich war nicht für immer weitergelaufen.
Und das war schon mal was.
Und es gab noch etwas anderes …
Als ich auf dem Gehweg stand und keuchend die Luft einsog, fiel mir plötzlich wieder ein, wieso ich den ganzen Weg gelaufen war … oder zumindest, wieso ich eigentlich los gelaufen war.
William.
Ich war vor William davongelaufen.
Es war seltsam zu merken, dass ich etwas vergessen hatte, das vor höchstens einer Viertelstunde passiert war. Ich hatte William vor dem besetzten Haus gesehen, war umgedrehtund vor ihm weggelaufen und dann … das Nächste, woran ich mich erinnerte …
Ich hatte nichts mehr gewusst .
Und jetzt …?
Jetzt schaute ich zurück, die Straße hinauf in der verzweifelten Hoffnung, dass er mir vielleicht gefolgt sei, und auch wenn ich immer noch viel zu durcheinander war, um zu wissen, ob ich ihn tatsächlich sehen wollte, wusste ich doch in dem Moment, als ich ihn oben auf dem Hügel über die Kreuzung laufen sah, schlagartig, dass ich es nicht nur wollte , sondern es mir mehr als alles andere wünschte.
Was immer er war, was immer er getan hatte …
Wie durcheinander ich auch war.
Ihn zu sehen, ließ mein Herz höher schlagen.
Als er erkannte, dass ich stehen geblieben war und auf ihn wartete, wurde er langsamer und ging die letzten fünfzig Meter in gemäßigtem Schritt. Ich versuchte noch immer, zu Atem zu kommen, und sah, dass auch William hechelte und keuchte. Und ich sah, dass er mich fest im Blick hielt,
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