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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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gern zu, dass ich nicht erwartete, den Auftritt gut zu finden, vor allem, weil ich sie als Menschen nicht mochte, doch noch bevor sie den ersten Ton gespielt hatten, wusste ich, das etwas Besonderes passieren würde. Ich spürte es in der rauchgeschwängerten Luft, ich konnte es regelrecht fühlen … und so ging es allen. Als sie die Instrumente anschlossen und sich bereit machten zu spielen, beugte sich Curtis dicht zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Verstehst du es jetzt?«
    Und ich merkte auf einmal, dass ich es wirklich tat.
    Als Steve Jones seinen Verstärker aufdrehte und einen Akkord wie eine Kreissäge herausdrosch, wurde mir klar: Genau das, was ich an diesen Leuten nie leiden konnte – ihre einstudierte Garstigkeit, ihre ganze Mir-egal-Haltung, ihr extremes Bedürfnis, zu schockieren und zu verletzen –, machte sie auf der Bühne so prickelnd und unvergesslich.
    Es war nicht die Musik, es war die Haltung.
    Die Energie.
    Das Chaos.
    Wie gesagt, rein musikalisch waren die Sex Pistols gar nicht besonders beeindruckend in jener Nacht. Sie waren nicht schrecklich oder so – ich meine, sie konnten alle spielen –, und auch wenn Johnny Rottens Stimme manchmal ganz schön falsch klang, war sie eindeutig anders als alles, was ich je gehört hatte … doch insgesamt, als Band, waren sie nicht annähernd so gut wie Naked. Wir waren eine viel geschlossenere Gruppe als sie, unsere Songs waren besser und weitaus origineller, und auch wenn wir noch nie live gespielt hatten, war ich sicher, dass wir, wenn es mal so weitwar, nicht so chaotisch und dilletantisch sein würden wie die Pistols. Sie schienen die meiste Zeit nicht mal zu wissen, was sie da eigentlich taten.
    »Schau mal«, brüllte mir Curtis während des zweiten Songs ins Ohr. »Da ist Malcolm!«
    Ich schaute in die Richtung, in die er zeigte, und sah Malcolm McLaren ganz vorn stehen, mit den Händen fuchteln und der Band zubrüllen, wo sie stehen und was sie tun sollten. Er hatte sein übliches Gefolge dabei – Vivienne Westwood, Jordan … alle Sex-Angestellten, von denen die meisten Sachen aus dem Laden trugen. Und als ich wieder zu Curtis schaute, sah ich, wie er eines der Mädchen neben Jordan anstarrte. Ich wusste nicht, wie sie hieß, aber ich hatte sie schon öfter im Sex gesehen. Sie war ein paar Jahre älter als ich – sehr schön, sehr punkig – und trug immer extrem freizügige Sachen. In jener Nacht hatte sie, soweit ich mich erinnere, einen schwarzen Latex-Mini an, ein genietetes Hundehalsband, ein Hakenkreuz-Armband und nicht viel sonst. Ich merkte, wie Curtis ihr heiße Blicke zuwarf, die sie erwiderte – zuerst guckte sie super sexy und schmolllippig, dann lächelte sie.
    »Hey!«, sagte ich zu Curtis und stieß ihm meinen Ellenbogen voll in die Rippen.
    »Scheiße!«, prustete er und spuckte einen Schluck Bier aus. Er wischte sich den Mund ab und starrte mich an. »Verdammt, wofür war das denn?«
    Ich sagte nichts, sondern starrte nur einen Moment lang zurück, dann beobachtete ich wieder die Band. Aber er hatte die Botschaft verstanden und für den Rest der Nacht hielt er seinen schweifenden Blick im Zaum.
    Ich weiß nicht mehr, was genau passierte, als die Pistolsihren fünften Song beendeten, aber es gab eine kleine Auseinandersetzung zwischen den Pistols und einem Typen namens Danny von Bazooka Joe – es ging wohl irgendwie um die Verstärkeranlage –, und ich weiß auch nicht, ob es Danny war, der den Strom abschaltete, oder jemand anderes und ob die Pistols irgendwas von Bazooka Joes Anlage geborgt und zugrunde gerichtet hatten oder so … doch was immer der Grund war, jedenfalls ging es nach dem Ende des fünften Songs los: Johnny Rotten schrie auf einmal die Typen von Bazooka Joe an und nannte sie einen Haufen beschissener Ärsche, dann stürmte Danny auf Johnny zu und nagelte ihn gegen die Wand … und schließlich mischten sich Malcolm McLaren und alle andern ein, brüllten und schrien, stießen und rempelten sich … und das war es im Grunde – ein total chaotisches Ende eines total chaotischen Auftritts.
    Ich weiß noch, dass ich mich währenddessen zu Curtis umdrehte. Er stand bloß da und beobachtete das Durcheinander nach dem Auftritt mit der gleichen Aufmerksamkeit, wie er sie für den eigentlichen Gig übriggehabt hatte – vielleicht sogar mit mehr. Und ich bin mir ganz sicher, dass das der Moment war, in dem uns beiden klar wurde: Naked mochte in vieler Hinsicht eine deutlich bessere Band sein als die Sex

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