Live Fast, Play Dirty, Get Naked
nehmen?«
»Wir kriegen bald einen Plattenvertrag. Dann schwimmen wir im Geld.«
Kenny lachte. »Einen Plattenvertrag? Wir haben bis jetzt noch nicht mal irgendwo gespielt … verdammt noch mal, wie sollen wir einen Plattenvertrag bekommen, wenn wir’s noch nicht mal schaffen, einen Auftritt zu kriegen?«
Curtis starrte ihn an. »Wir werden bald einen haben.«
»Wie bald?«
»Ich arbeite dran.«
»Ja?«
»Ja.«
Die beiden starrten sich noch eine Weile an und ich fürchtete schon, entweder würde Kenny beleidigt rausstürmen oder Curtis würde ihm eine knallen. Doch schließlich nickteKenny so halbwegs und schaute weg. Und Curtis zündete sich eine Zigarette an und sagte: »Also gut, dann lasst uns verdammt noch mal loslegen.«
Wir schlossen die Gitarren an, drehten die Lautstärke hoch und jagten eine Hochgeschwindigkeitsversion von Naked raus.
Curtis hielt sein Versprechen, uns einen Auftritt zu verschaffen, und ein paar Monate später, an einem kalten Freitagabend im Januar, luden wir unsere gesamte Ausrüstung hinten in einen Ford Transit und fuhren die Seven Sisters Road hoch Richtung Finsbury Park zu einem Pub namens Conway Arms. Der Wagen gehörte Stans zwanzigjährigem Bruder, der uns auch fuhr – einem Neandertalertypen, den alle Chief nannten. Er war mindestens so schweigsam wie Stan und litt unter zwei Dingen: einem wirklich üblen Körpergeruch und der Neigung, ziemlich häufig zu furzen, was die Fahrt in dem Ford Transit ohne funktionierende Lüftung nicht gerade angenehm machte. Doch abgesehen davon, dass wir sonst niemanden kannten, der einen Lieferwagen hatte, half er uns mit der Zeit auch in vielen anderen Dingen – er schleppte die Ausrüstung herum, installierte die Lichtanlage, verlegte die Kabel … und weil er ein Riesenkerl mit großer physischer Präsenz war, half uns das sehr, wenn die Dinge aus dem Ruder liefen, was oft genug passierte.
Es gab an dem Abend noch jemanden im Lieferwagen, der nicht zur Band zählte, einen Mittzwanziger namens Jake Francis. Curtis hatte uns Jake vor etwa einem Monat vorgestellt, als wir nachts in dem besetzten Haus in Seven Sisters probten. Keiner von uns war Jake zuvor je begegnet, und als Curtis mit ihm in den Keller kam und erklärte, das sei unserManager … na ja, da kam das nicht gerade gut an, um es mal vorsichtig auszudrücken.
»Er ist unser was ?«, fragte Kenny ungehalten.
»Unser Manager.«
»Seit wann?«
»Seit ich ihn gefragt habe«, antwortete Curtis ruhig.
Kenny schüttelte den Kopf. » Du hast ihn gefragt, ob er unser Manager wird?«
»Ja.«
»Was ist mit uns andern … dürfen wir da überhaupt nicht mitreden? Ich meine, verdammte Scheiße, Curtis … wir haben noch nicht mal drüber gesprochen , ob wir einen Manager brauchen, und jetzt tauchst du auf einmal auf und ziehst irgendwen aus dem Hut, den wir noch nicht mal kennen?«
»Okay«, sagte Curtis. »Was willst du über ihn wissen?«
»Das ist nicht der Punkt .«
»Er kennt Leute, Kenny. Er hat Kontakte … er hat früher in Manchester Gruppen gemanagt –«
»Ja? Wen denn zum Beispiel?«
Curtis sah Jake an.
Jake sagte zu Kenny: »Kennst du die Black Angels?«
Kenny schüttelte den Kopf. »Nie gehört.«
»Wie steht’s mit Meat House?«
»Wer?«
»10cc?«
Kenny schaute überrascht. »Du hast 10cc gemanagt?«
Jake grinste. »Nein … aber ich bin ein guter Lügner, der dich glauben lässt, dass es so ist. Genau darum braucht ihr mich.«
Jake wirkte irgendwie unheimlich. Spindeldürr, mit kurzen schwarzen Locken, schlechter Haut und einer altmodischenDrahtbrille, die seine Augen ganz klein wirken ließ. Er trug ständig einen alten, speckigen grünen Anzug, schmuddelige schwarze Turnschuhe und keine Socken … nicht mal mitten im Winter. Die ganze Zeit hörte er Reggae und rauchte pausenlos Dope, von morgens früh bis spätnachts. Dabei wirkte er merkwürdigerweise nie stoned.
»Und?«, wandte er sich jetzt an Stan. »Was ist deine Meinung?«
»Wozu?«
»Willst du, dass ich euer Manager werde?«
Stan zuckte die Schultern. »Ist mir egal.«
Jake sah mich an. »Und wie steht’s mit dir?«
»Ich finde, wir sollten vorher drüber reden«, antwortete ich und schaute zu Curtis.
»Ja, natürlich solltet ihr drüber reden«, sagte Jake. »Nehmt euch die Zeit, die ihr braucht, besprecht euch untereinander, und wenn ihr irgendwas über mich wissen wollt …« Er grinste. »Na gut, dann werde ich versuchen, euch die Wahrheit zu sagen.« Er drehte sich zu Curtis
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