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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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ich noch einen kurzen Blick auf William, wie er in wahnsinnigem Tempo einen dunklen kleinen Gang entlanglief, der mit KEIN ZUTRITT , NUR FÜR PERSONAL gekennzeichnet war.
    Dann war er verschwunden.

15
    Ich fragte mich damals oft, wieso ich bei Curtis blieb. Warum tat ich mir das an? Wieso nahm ich seine chaotische Art und seine wachsende Gleichgültigkeit mir gegenüber einfach so hin? Warum stellte ich mich nicht der Wahrheit – dass er immer stärker außer Kontrolle geriet und mich immer mehr verletzte? Und dass ich es oft schwierig fand, ihn noch zu mögen – von lieben ganz abgesehen?
    Wieso war ich noch immer mit ihm zusammen?
    Wenn ich heute zurückblicke, gab es, glaube ich, tausend verquaste Gründe, doch ich bin sicher, ein Großteil hing damit zusammen, dass ich nie viel Zuneigung bekommen hatte – schon dadurch, dass ich ohne Vater aufwuchs, aber auch nicht von meiner Mutter –, und jetzt, als ich plötzlich eine Art Liebe erfuhr, konnte ich nicht ertragen, sie aufzugeben. Ich brauchte diese Liebe. Und egal wie verkehrt es war, bei Curtis zu bleiben, egal wie schmerzhaft alles geworden war – die Vorstellung, nicht mehr mit ihm zusammen zu sein, wieder allein zu sein, tat noch mehr weh.
    Und ich glaube, dass für mich tief im Innern Alleinsein bedeutete, so zu werden wie meine Mutter, und die Vorstellung, so zu enden wie sie, war für mich absolut erschreckend.
    Ich weiß, dass das kein besonders guter Grund ist, um mit jemandem zusammenzubleiben. Aber damals war mir daswohl gar nicht so klar. Ich wusste nur, dass es irgendwas in mir gab – etwas viel Stärkeres als Rationalität oder gesunder Menschenverstand –, das mich daran hinderte, mit Curtis Schluss zu machen, ob ich es nun wollte oder nicht.
    In jener Nacht, als der Zug in das dunkle Tosen des Tunnels eintauchte, blieb ich eine Weile an der Zugtür stehen, starrte auf die dunklen Spiegelbilder im Glas und versuchte, die Angst und Wut zu beruhigen, die in meinem Herzen pochten. Curtis sang und brüllte nicht mehr und ich konnte ihn in dem spiegelnden Glas nirgendwo sehen, also hatte er sich wohl hingesetzt, war durch den Wagen gelaufen oder sonst was … wobei es mich überhaupt nicht interessierte, wo er steckte. Kein bisschen. Zum zweiten Mal in dieser Nacht war das Einzige, was ich für Curtis empfand, Hass.
    Schließlich kam Jake herüber und fing an, mit mir zu reden. »Komm schon, Lili«, sagte er. »Jetzt ist es ja vorbei.«
    »Ja?«, blaffte ich zurück. »Findest du?«
    »Curt hat nicht gewusst, was er tut –«
    »Das weiß er doch nie, verdammt noch mal.«
    »Ja, ich weiß«, seufzte Jake. »Ich weiß …« Er berührte vorsichtig meinen Arm. »Komm schon, lass uns hinsetzen.«
    Ich warf einen Blick an ihm vorbei und sah Curtis zusammengesackt in einem Sitz hängen. Er schlief nicht – seine Augen standen offen –, trotzdem wirkte er auch nicht so, als wäre er voll bei Bewusstsein. Er saß nur ganz still da und starrte ins Leere, wie in Trance. Neben ihm war ein Platz frei, aber ich wollte jetzt einfach nicht in seiner Nähe sitzen, also drehte ich mich von der Tür weg und ging den Gang entlang zu einem anderen freien Platz. Dazu musste ich an Curtisvorbei und ich hatte nicht die leiseste Absicht, ihn auch nur anzusehen, doch gerade als ich auf seiner Höhe war, hörte ich seine Stimme.
    »Hey, Lili … wie geht’s?«
    Und er klang so verdammt unbekümmert, dass meine Wut überkochte und ich mit funkelnden Augen vor ihm stehen blieb.
    » Was hast du gesagt?«, fauchte ich.
    Er starrte mich nur kurz an, dann blinzelte er ein paarmal und schüttelte den Kopf und schließlich sagte er – mit einem verwirrten Grinsen: »Was ist los? Sind wir schon da? Wie spät ist es?«
    Ich gab mir nicht die Mühe, ihm zu antworten, sondern schüttelte nur verzweifelt den Kopf.
    »Was ist?«, fragte er und schaute sich im Wagen um. »Wo sind alle?« Dann schaute er wieder zu mir und grinste schief. »Wo ist Billy the Kid, Lil?«
    »Der rettet gerade dein Leben, du Idiot.«
    Und danach ging ich weiter und ließ ihn mit dem Satz allein.
    Der Rest der Fahrt verlief ohne Zwischenfälle. Ich saß allein, redete mit niemandem und brodelte still vor mich hin. Jake ging zu Curtis und setzte sich neben ihn. Und nachdem Curtis eine Weile unzusammenhängend auf Jake eingequasselt hatte, fiel er wieder in seinen tranceähnlichen Zustand zurück: Er schwieg und blieb schweigend und reglos, bis wir die Station London Bridge erreichten.
    Als wir ankamen,

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