Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Gitarrist. Er ist ein verdammtes Genie . Er wird uns ganz weit nach oben bringen. Wartet ab … er ist ein verdammter Star . Hey, Malcolm! Komm mal … Malcolm ! Das hier ist Billy, Billy the Kid …«
Und so weiter und so fort …
Während der ganzen Zeit tat und sagte William nicht sonderlich viel, sondern lächelte nur, nickte, schüttelte Händeund warf mir manchmal einen Blick zu … und wie gewöhnlich sagte oder tat auch ich nichts. Ich ließ einfach alles über mich ergehen – versuchte dabei nicht allzu gelangweilt zu wirken, das Ganze nicht zu sehr zu hassen und mich nicht ständig umzusehen, ob Charlie Brown da war …
Es war echt hart.
Und als Johnny Rotten auf der Bühne einen Tumult erzeugte – indem er herumbrüllte und -fluchte, mit dem Mikroständer umherwarf und das Equipment der Band zerstörte – und alle im Raum von seinem irren Verhalten angezogen wurden, waren William und ich dankbar für die Gelegenheit, uns eine Weile von den andern entfernen zu können. Als wir uns auf den Boden setzten und an die Wand lehnten, hörte ich Malcolm McLarens aufgeregte Stimme, mit der er Jordan drängte, sich auszuziehen. Die ganze Musikpresse war da und er dachte wohl, ein nacktes Punkgirl würde Wunder bewirken für das Image der Pistols.
»Mach schon, Jords«, hörte ich ihn schreien. »Runter mit den Sachen!«
»Nein …«
» Mach schon!«
Und dann sah ich sie auf die Bühne springen – eine zierliche Person, ganz in Schwarz gekleidet, mit toupierter blonder Beehive-Frisur und stark geschminkten Augen – und Johnny Rotten riss ihr die Sachen vom Leib und alle Fotografen und Filmemacher jagten nach vorn, um Bilder zu schießen …
»Kennst du die?«, hörte ich William fragen.
Ich sah ihn an. Er hielt eine Zigarette in der einen Hand, eine Bierdose in der andern, und beobachtete das Spektakel auf der Bühne mit irritierter Neugier.
»Sie heißt Jordan«, erklärte ich. »Sie arbeitet bei Malcolm McLaren im Laden.« Ich schaute hinüber zur Bühne und sah, dass Jordan nicht mehr allein war. Auch ein paar ihrer Freundinnen zogen die Oberteile aus, liefen nackt umher und zeigten sich den Fotografen in provozierenden Posen, darunter auch Charlie Brown. Die Musikpresse war begeistert, genau wie die meisten Männer – die Blicke warfen, gestikulierten, riefen und die Mädchen anfeuerten. Curtis war auch dabei, er stand mit Jake neben Malcolm McLaren, eine halb volle Wodkaflasche in der Hand. Doch anders als alle übrigen rief und gestikulierte Curtis nicht, sondern schaute nur, die völlig fertigen Augen auf den inzwischen nackten Körper von Charlie Brown fixiert.
»Wieso tragen manche von denen Hakenkreuze?«, fragte mich William und trank einen Schluck Bier.
»Ist nur so ein Punkding«, erklärte ich ihm. »Sie lieben es, Leute zu schockieren …«
»Warum?«
Ich sah ihn an. »Keine Ahnung, echt. Ist nur …« Ich zuckte die Schultern. »Sie tun’s einfach.«
»Führt sich Curtis deshalb manchmal wie ein Idiot auf? Um zu schockieren?«
Ich lächelte. »Curtis ist manchmal ein Idiot … genauer gesagt meistens.« Ich schaute wieder zur Bühne. Curtis stand noch immer da und starrte Charlie Brown an. Ich begriff, dass er inzwischen unglaublich betrunken war. Sein Oberkörper bewegte sich unkontrolliert in ziellosen Kreisen und auch der Kopf schwankte hin und her. Ich sah, wie er einen langen, zittrigen Zug aus der Wodkaflasche nahm, dann drehte ich mich wieder zu William um.
»Wieso hast du das gemacht?«, fragte ich ihn.
»Was gemacht?«
»Wieso hast du dir so viel Mühe gegeben, dass Curtis nicht zusammengeschlagen wurde?«
William zuckte die Schultern. »Wieso nicht?«
»Die hätten dich fertigmachen können.«
Er lächelte. »Haben sie aber nicht.«
Ich sah ihn an. »Und was ist ein Provo?«
»Wie bitte?«
»Vorhin … du hast gesagt, Skinheads hassen Provos.«
»Ach so ….« Er zuckte wieder die Schultern. »Provo ist nur so eine Abkürzung, verstehst du? Für die Provisorische IRA.«
Ich nickte, schwieg einen Moment und schaute hinüber zu Curtis, dann sah ich wieder William an. »Du bist doch nicht wirklich in der IRA, oder?«
»Warum?«, fragte er lächelnd. »Was würdest du machen, wenn ich’s doch wär?«
»Keine Ahnung …« Ich zuckte die Schultern. »Nicht viel wahrscheinlich.«
»Du würdest mich nicht anzeigen?«
Für einen Moment war ich wirklich nicht sicher, ob er mich auf den Arm nahm. Er lächelte noch immer und ich war fast überzeugt, dass er bloß
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