Live Fast, Play Dirty, Get Naked
beobachtete ratlos, wie er sich dort nach links wandte und auf eine Gruppe von Leuten an der Wand zubewegte. Es waren fünf oder sechs; sie standen im Halbkreis zusammen und unterhielten sich angeregt. Von den meisten wusste ich nicht, wer sie waren, aber der, der am meisten redete, war Malcolm McLaren.
Als William auf die Gruppe zutrat, veränderte sich sein Gang. Er fing an zu torkeln, schwankte ein bisschen umher, als wäre er betrunken. Kurz bevor er McLaren erreichte, blickte er über die Schulter nach hinten, ohne langsamer zu werden, so als hätte irgendwer seinen Namen gerufen, und als er wieder nach vorn schaute, war er so dicht vor McLaren, dass er fast zwangsläufig in ihn hineinstolperte. Es wirkte wie ein betrunkener Zusammenprall – William, der seine Arme um McLaren schlang, um sich abzustützen, McLaren, der seinen Drink verschüttete und sauer schien, William, der ihn wieder losließ, zurücktrat und sich den Drink von den Sachen wischte und dann die Hände zu einer übertriebenen Entschuldigung emporhob …
McLaren schüttelte verärgert den Kopf.
William entschuldigte sich weiter.
McLaren hob seine Hände – »Okay, okay …«
Betrunken lächelnd sagte William etwas zu ihm. McLaren runzelte die Stirn. William mimte einen Revolverhelden, der seine Pistolen zückt, dann zeigte er hinüber zu Curtis. Wahrscheinlich erinnerte er McLaren daran, dass er Billy the Kid, der neue Gitarrist in Curtis’ Band war: »Erinnerst du dich? Curtis hat uns vorhin miteinander bekannt gemacht …«
McLaren nickte vage und tat so, als ob er sich erinnerte – »Ach ja, richtig …«, und dann, als William ihm tollpatschig die Schulter tätschelte, bevor er weiter in Richtung Toilette schwankte, wandte sich McLaren mit einem verächtlichen Kopfschütteln wieder den andern zu – »Verdammter Idiot …«
Und das war es für den Moment.
Mir war noch immer nicht klar, was William da trieb.
Während ich wartete, dass er zurückkam, schaute ich wieder zu Curtis rüber. Er saß noch immer da, jetzt aber weitnach vorn gesackt – mit dem Gesicht am Boden und den Armen frei neben dem Körper –, und ich nahm an, er schlief. Es war wirklich verführerisch, ihn einfach dort hocken zu lassen. Wieso nicht ?, fragte ich mich. Überlass ihn sich selbst, lass ihn in seiner eigenen Blödheit schmoren, geh ohne ihn nach Hause …
Wenn ich es nur gekonnt hätte.
Nach ein, zwei Minuten sah ich William von der Toilette kommen. Er ging jetzt wieder normal – absolut nüchtern und geradeaus – und in seinem Gesicht lag ein Ausdruck stiller Genugtuung. Auf dem Weg zu mir musste er noch mal an McLaren und den andern vorbei, und als er sich ihnen näherte, sah ich, wie er einen kurzen Blick auf eine Gruppe von Leuten warf, die ihm entgegenkam. Sofort wurde er langsamer, als wolle er stehen bleiben und die andern vorbeilassen, doch als sie sich der Stelle näherten, an der McLaren stand, beschleunigte William plötzlich wieder den Schritt und erreichte McLaren genau im gleichen Moment wie die andern. Es war nicht viel Platz, und als William sich gerade durch eine Lücke auf McLarens Seite zwängte, rempelte ihn anscheinend jemand an, denn plötzlich taumelte er zur Seite und stieß erneut mit McLaren zusammen.
Diesmal ging alles viel schneller. Nur ein Abstützen mit der Hand, eine eilige Entschuldigung – »Tut mir leid! Ich schon wieder! Sorry!« –, ein Lächeln, ein Schritt zurück, ein weiteres kurzes Lächeln … und William war fort, noch bevor McLaren irgendwas sagen konnte.
Als er durch den Raum auf mich zukam, merkte ich, dass es ihm – anders als den übrigen Anwesenden – völlig egal zu sein schien, was man von ihm dachte. Er achtete nicht darauf, ob die Leute ihn sahen, er versuchte nicht cool zusein, er versuchte überhaupt nichts zu sein … er lief einfach nur durch die Menge, in sich ruhend und gelassen, den Blick auf mich gerichtet.
»Okay?«, fragte er und blieb lächelnd vor mir stehen.
»Ja …«
»Bist du bereit?
»Bereit wozu?«
»Für unser schlafendes Dornröschen da drüben«, sagte er mit einem Blick auf Curtis. »Wir sollten es nach Hause bringen, bevor es sich in einen Kürbis verwandelt.«
»Stimmt, aber ich hab dir doch gesagt, dass wir nicht genug Geld für ein Taxi haben.«
»Haben wir wohl«, antwortete William und griff in seine Hosentasche. Nachdem er sich versichert hatte, dass niemand guckte, zeigte er mir eine ordentliche Handvoll £10- und £20--Scheine. »Das müsste doch
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