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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sie kurz, und bevor ich noch etwas sagen konnte, fing er an, mir seine Geschichte zu erzählen.

19
    William wurde im Falls-Road-Bezirk, einer streng katholischen Gegend im Westen von Belfast geboren, wo er auch aufwuchs. Sein Vater, Joseph, war Arbeiter. Seine Mutter, Catherine, hatte eine Teilzeitstelle in der örtlichen Bücherei. Williams Bruder Joseph – in der Familie Little Joe genannt – war drei Jahre jünger als er.
    »Wir waren wirklich eine ziemlich normale Familie«, erzählte mir William. »Meine Eltern haben beide hart gearbeitet, sonntags sind wir zur Messe gegangen und die Sommer verbrachten wir meistens auf der Farm meiner Großeltern in der Nähe von Antrim. Ich meine, wir hatten nie viel Geld, aber so ging es allen, verstehst du? Es war immer genug zu essen da und uns fehlte auch sonst nicht viel …« Er zuckte die Schultern. »Na ja, manchmal war es schon schwer … aber irgendwie sind wir zurechtgekommen.« Er unterbrach sich kurz, starrte nachdenklich zu Boden und sprach dann weiter. »Und ich glaube, genau das taten wir, als es passiert ist – wir bemühten uns, zurechtzukommen und unser Leben zu leben.«
    Es war Januar 1970 und der Nordirlandkonflikt spitzte sich immer mehr zu. Englische Truppen patrouillierten durch die Straßen von Belfast, fast jede Nacht waren Schüsse zu hören und es gab ständig Unruhen zwischen katholischen Republikanernund protestantischen Loyalisten. So wie die meisten Familien in der Nachbarschaft versuchte auch Williams Familie, weiterzuleben wie gewohnt und sich nicht hineinziehen zu lassen, aber das war einfach unmöglich. Sie waren katholisch, sie lebten in einer republikanischen Gegend, in der alle zueinanderhielten … das heißt, sie waren automatisch Zielscheiben für die Gewalt der Loyalisten. Und in der umgekehrten Richtung lief es genauso. Normale protestantische Familien, die in Loyalistenbezirken wohnten, wurden zur Zielscheibe für den Hass der Republikaner. Also wurden jede Nacht die Schlachtlinien gezogen – behelfsmäßige Barrikaden aus Wellblech und ausgebrannten Autos –, Straßen wurden dichtgemacht und dann ging der Aufruhr los. Kinder warfen Steine und Flaschen, Molotowcocktails flogen durch die Luft, Schüsse fielen, der Mob auf beiden Seiten schwoll an, die Grausamkeit wuchs … Manchmal tauchten dann die Sicherheitskräfte auf – englische Soldaten oder die Royal Ulster Constabulary, also die britische Polizei – und versuchten, die Lage auf den Straßen unter Kontrolle zu kriegen und die Situation zu entschärfen. Und manchmal hatten sie auch Erfolg damit – der Aufstand beruhigte sich langsam, die Kämpfer zogen sich in die Dunkelheit der Straßen zurück und alles war wieder ruhig … bis zur nächsten Nacht.
    Doch so, wie es William schilderte, gab es auch Zeiten, in denen die Sicherheitskräfte alles andere taten als die Situation zu entschärfen und für Ruhe zu sorgen.
    »Ich hatte das auch vorher schon erlebt«, erzählte mir William. »Wie die scheiß Polizisten herumstanden und gar nichts taten, als der Loyalisten-Mob durch die Barrikaden brach und eine ganze verdammte Straße durchkämmte. Verstehst du, die haben den Leuten die Scheiße aus dem Leibgeprügelt, sie aus ihren Häusern gezerrt … ganze Familien, kleine Kinder und so … und die Polizei stand bloß dabei und guckte zu.«
    »Wieso?«, fragte ich. »Wieso hat die Polizei das gemacht?«
    Er sah mich an. »Weil es eben so ist … das war schon immer so. Du bist entweder dies oder das – Protestant oder Katholik, Rangers- oder Celtic-Fan, Punk oder Skinhead, schwarz oder weiß, orange oder grün … es spielt keine Rolle, was dahintersteckt, wofür etwas steht, wichtig ist bloß, auf welcher Seite du bist.«
    »Und du sagst, die Polizei in Belfast ist auf der Seite der Loyalisten?«
    »Ich sage nur, was ich weiß und was ich gesehen habe … was ich selbst in der einen Nacht gesehen habe.«
    William wohnte mit seiner Familie in einem kleinen Reihenhaus in einer engen Straße auf der Nordseite der Falls Road. Die Krawalle waren in jener Nacht besonders brutal gewesen und es hatte eine Reihe von Scharmützeln zwischen den Bewohnern und randalierenden Loyalisten gegeben.
    »In der Nacht waren ein paar Leute vom radikalen Flügel der IRA bei uns in der Straße«, sagte William. »Manche hatten Maschinengewehre dabei. Die meisten Kämpfer kamen aus unserer Gegend, aber die mit den Gewehren waren ein paar von den ganz Großen, die aus dem Norden runtergekommen

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