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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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wusste nicht, was ich sagen sollte. Was konnte ich schon sagen? Es gab nichts, das von Bedeutung gewesen wäre. Deshalb saß ich nur da und teilte mit ihm das Schweigen.
    Schließlich, nach ein, zwei Minuten, richtete William sich auf, nahm die Zigarette, die er hinters Ohr gesteckt hatte, und zündete sie an. »Die haben sie umgebracht, Lili«, sagte er leise. »Einfach so …« Er schnippte mit den Fingern. »Die haben sie umgebracht … und sie sind nicht mal bestraft worden dafür.«
    »Sie sind nicht bestraft worden?«, fragte ich.
    Er nickte. »Sie haben gesagt, sie wär die Treppe runtergefallen … weißt du, es gab nicht mal eine richtige Untersuchung. Die Polizei behauptete, sie hätten Infos gehabt, dass wir Terroristen verstecken, und bei der Durchsuchung unseres Hauses hätte meine Mum einen RUC-Polizisten angegriffen. Als er sich verteidigen wollte, sei sie dann gestolpert und die Treppe runtergefallen … und das war’s.«
    »Aber es gab doch Zeugen.«
    »Nein, gab es nicht. Nach Angaben der Polizei waren nur die zwei RUC-Polizisten und wir dabei gewesen, als es geschah. Und keiner von ihnen sei bewaffnet gewesen. Sie habensogar behauptet, sie hätten im Haus eine geladene Pistole gefunden.« William sah mich an. »Sie behielten meinen Dad zwei Tage in Haft, prügelten ihn fast zu Tode und sagten, sie würden ihn für Jahre wegsperren, wenn er über das, was passiert war, nicht sein Maul hielte, und Joe und ich kämen ins Heim.«
    »Heilige Scheiße …«, flüsterte ich. »Und was hat er gemacht?«
    »Sein Maul gehalten«, sagte William lapidar. »Was hätte er sonst tun sollen? Er kam zurück, räumte das Haus auf … redete stundenlang mit Joe und mir, kümmerte sich um uns … und eine Woche später gingen wir alle zu Mums Beerdigung.« William zog an seiner Zigarette. »Und in dieser Nacht, direkt nach der Beerdigung, schloss sich Dad der Provisorischen IRA an.«
    In den nächsten Jahren, erzählte William weiter, verknüpfte sich das Leben seines Vaters immer enger mit der IRA. Zuerst gehörte er nur zu den Unterstützern – er nahm an Treffen teil, sammelte Informationen und reichte sie weiter, machte Botengänge, versteckte Waffen –, doch mit der Zeit wurden seine Fähigkeiten deutlich und er stieg langsam immer weiter nach oben, und 1974 wurde er aktives Mitglied auf operativer Ebene in einem der drei Bataillone, die die Belfast Brigade bildeten. Die IRA war sein Leben geworden.
    »Was genau bedeutet ›auf operativer Ebene‹?«, fragte ich William.
    »Organisation von und Teilnahme an Operationen.«
    »Okay, verstehe. Und mit ›Operationen‹ meinst du …?«
    »Alles«, sagte William. »Bombenanschläge, Erschießungen … nenn’s, wie du willst.«
    »Menschen töten?«
    William sah mich an. »Es ist ein Krieg, Lili … sie gegen uns. Entweder liegst du am Boden und lässt zu, dass sie dich niedertrampeln, oder du stehst auf und wehrst dich.« Er zuckte die Schultern. »Es ist ein Krieg … Menschen sterben nun mal in Kriegen.«
    »Und du meinst, damit ist es okay?«
    »Es geht nicht darum, ob es okay ist. Es ist einfach so. Wenn du in der Armee bist und dein Land ist im Krieg, ist es deine Aufgabe, Menschen zu töten.«
    »Ja, aber die IRA ist keine richtige Armee.«
    »Doch, ist sie. Sie ist die Irisch-Republikanische Armee. Die Provos haben sich 1969 doch nur von der alten IRA abgespalten, weil die ihre Aufgabe nicht erfüllt hat – sie hat ihre Leute nicht mehr verteidigt. Und das ist es, was eine Armee tut .«
    Ich war inzwischen ziemlich verwirrt von dem Ganzen. Ich wusste nicht viel über die Geschichte des Nordirlandkonflikts. Ich hatte keine Ahnung, wann er begonnen hatte oder warum … ich verstand nicht mal richtig, worum es dabei überhaupt ging. Ich wusste nur, dass es in den Fernsehnachrichten fast jeden Abend Berichte über einen neuen Bombenanschlag, eine weitere Schießerei, einen weiteren Terrorangriff gab … und jetzt plötzlich war ich mit der Tatsache konfrontiert, dass Williams Vater persönlich in solche abscheulichen Gräuel verwickelt war. Und das war erst recht beunruhigend. Aber gleichzeitig konnte ich irgendwie verstehen, warum er es tat. Ich hatte, in gewissem Maß, Verständnis für seinen Hass auf die Sicherheitskräfte und seinen Wunsch nach Rache für den Mord an seiner Frau …
    Aber trotzdem …
    In meinem Innern wusste ich, dass es falsch war. Es ist falsch, Menschen zu töten, egal warum. Es ist einfach falsch.
    Ich sah William an. »Was macht er

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