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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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seine ruhelosen Augen blickte, dachte ich an all das, was er durchgemacht hatte – den Tod seiner Mutter, das Leben seines Vaters in der IRA, den Mord an seinem Vater durch die IRA –, und ich versuchte mir vorzustellen, wie es für ihn gewesen sein, welche Gefühle es in ihm ausgelöst haben musste … doch es gelang mir nicht. Ich wusste ja nicht mal, welche Gefühle es in mir auslöste. Aber ich fühlte etwas – daran bestand kein Zweifel –, und was immer es war, es bewegte mich so stark, dass ich William in den Arm nehmen und nie wieder loslassen wollte.
    Aber das hier war die reale Welt – Samstagnacht, Sonntagmorgen, der Hinterhof eines Hauses in Seven Sisters, die brutale Schönheit der Musik von den Ramones, die aus den weit offenen Fenstern dröhnte – und ich wusste, dass ich in dieser realen Welt William nicht in den Arm nehmen und ihn für immer festhalten konnte …
    Doch ich konnte ihn zumindest für einen Moment in den Arm nehmen.
    Und als ich es tat – ohne ihn zu fest an mich zu drücken und ohne etwas zu sagen –, fühlte es sich für mich so richtig, so absolut perfekt an, dass ich mir wünschte, wir wären in einer anderen Welt, einer Welt, die nicht real war, einer Welt, in der wir uns für immer festhalten konnten.
    Und obwohl es nicht mehr war – nur eine simple Umarmung und nichts sonst –, war es für mich ein unglaublich intimer Moment, und zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, wie es sich anfühlte, eins mit jemandem zu sein. Ich fühlte mich vollständig, zufrieden … ich brauchte nichts weiter. Nur dies.
    Ich fühlte mich außerdem befreit . Es gab keine Erwartungen, keine Regeln, nichts, was mich verlegen machen könnte. Es war absolut in Ordnung zu schweigen und gleichzeitig wusste ich, wenn ich den Wunsch hätte, etwas zu sagen, egal was, könnte ich es tun. Ich musste nicht überlegen , was ich tun sollte. Und als ich spürte, wie sich in mir eine Frage bildete, hielt ich sie nicht zurück, um zu überlegen, ob ich sie stellen sollte oder nicht, sondern öffnete einfach den Mund und ließ die Worte heraus.
    »Macht es dir was aus, wenn ich dich noch etwas frage?«, murmelte ich.
    »Geht es um Märchen?«
    Ich lächelte bei der Erinnerung an die Nacht der Valentinsparty. »Nein« sagte ich genau wie damals. »Nein, es geht nicht um Märchen.«
    »In dem Fall, nein … es stört mich nicht.«
    »Ist William Bonney dein richtiger Name?«
    Eine Weile schwieg er, hielt mich nur weiter fest, dann ließ er mich vorsichtig los – ohne sich von mir zu entfernen – und schaute mir in die Augen. Und ich sah, in seinen Augen standen Tränen. Doch sein Lächeln war wohlwollend – ein Lächeln, das von Herzen kam.
    Gerade als er meine Frage beantworten wollte – oder zumindest irgendwas sagen wollte –, drang ein schrecklicher kreischender Laut aus dem Haus. Plötzlich stoppte die Musikund wir beide hörten den unverkennbaren Lärm eines Kampfes – erregte Stimmen, Körper, die zusammenprallten, Schreie und Flüche. Der Lärm kam aus dem Raum unten, wo die Leute getanzt hatten.
    »Verdammt, was –?«, fing ich gerade an.
    »Hör mal hin«, sagte William.
    Ich schwieg einen Moment und dann hörte ich es. Eine allzu vertraute betrunkene Stimme, wütend, beduselt und außer Kontrolle: »Dann komm doch, du Arschloch! Na komm !«
    Ich sah William an.
    »Curtis?«, fragte er.
    Ich seufzte. »Wer sonst?«

20
    Die Schlägerei auf der Party in jener Nacht hatte von draußen weitaus schlimmer geklungen, als sie es war. Genau genommen waren Curtis und der andere Typ – ein Punk namens Andy – beide so stoned, dass sie sich gar nicht richtig prügelten, es gab nur ein großes Gezerre und Geschubse, viel Gebrüll und Gefluche, dazu allerlei Hinfallen und Sich-am-Boden-Wälzen. Als ich Curtis später fragte, worum es bei dem Streit gegangen sei, meinte er, um nichts. »Einfach nur so, du weißt schon …« Und als ich weiterbohrte, behauptete er, Andy hätte Naked schlechtgemacht.
    »Er hat gesagt, wir wären Bonzenkinder , Scheiße noch mal… Möchtegern-Punks . Ich meine, was soll das denn heißen, verdammt?«
    Ich weiß nicht, ob Andy das wirklich gesagt hatte – obwohl es mich nicht wundern würde –, aber ich bezweifle, dass das der wahre Grund für den Kampf war, denn ein paar Wochen später erfuhr ich, dass Andy mit Charlie Brown ging – die in der Nacht nicht da war –, und wahrscheinlich kam es eher deshalb zum Streit, weil Curtis zu Andy irgendwas über Charlie sagte

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