Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Geburtstagsparty. William hatte tatsächlich gelogen.
Ich schaute auf meine Uhr. 23.05 Uhr.
»Schaffst du’s noch?«, fragte Nancy.
»Na ja, ich mach mich jetzt lieber auf, wenn das okay ist.«
»Natürlich.« Sie erhob sich. »Was soll ich William sagen, wenn er doch noch heute Abend zurückkommt?«
»Du könntest ihm vielleicht eine knallen von mir, wie wär’s damit?«
Sie lachte. »Kein Problem.«
»Nein, ehrlich«, sagte ich und stand auf. »Du weißt doch, wie es sein wird.«
Nancy nickte. »Er wird längst im Kino sein, wenn du zurückkommst.«
»Genau.«
»Er wird dasitzen, ruhig wie nur was, eine Zigarette rauchen, Bier trinken und sich wundern, was der ganze Aufruhr soll.«
»Yep.«
»Und dann kommst du rein, zum zweiten Mal klatschnass und stinksauer –«
»Und ich knall ihm eine.«
»Genau«, sagte sie und wir mussten beide laut lachen.
Auf dem Weg zur Tür dankte ich Nancy für das T-Shirt und die Jeans und sagte, ich würde sie schnellstmöglich waschen und William mitgeben.
»Wieso bringst du sie nicht selbst vorbei?«, schlug sie vor. »Es eilt nicht, aber es wär doch schön, dich wiederzusehen. Und wenn du schon da bist, kannst du auch gleich deine getrockneten Sachen mitnehmen.«
»Ja, okay«, sagte ich. »Das wär schön.«
»Gut.« Sie lächelte mich an. »Na, dann hoffe ich, dass heute Nacht doch noch alles gut geht.«
»Ganz bestimmt.«
Sie löste sämtliche Riegel und Ketten an der Wohnungstür, wollte sie gerade öffnen, aber dann stockte sie plötzlich. Nach einem kurzen Schweigen drehte sie sich zu mir um und sah mir in die Augen.
»William hat ein gutes Herz«, sagte sie leise. »Er tut zwar nicht immer das Richtige – und dafür gibt es auch keine Entschuldigung – und manchmal erweckt er sogar den Anschein, als wären ihm die Gefühle anderer egal. Aber tief drinnen, in seinem Herzen, ist er der selbstloseste und fürsorglichste Mensch, den ich kenne.« Sie lächelte traurig. »Das ergibt wahrscheinlich überhaupt keinen Sinn, oder?«
»Doch«, sagte ich. »Das ergibt sehr viel Sinn.«
25
Es fiel mir erst auf, als ich das Hochhaus verließ und über den Platz zur West Green Road lief, dass Nancy mir gar nicht erklärt hatte, wieso sie so viele Details von mir wissen wollte, bevor sie mich reinließ. Ich brauchte natürlich auch keine Erklärung, ich wusste ja, dass sie nur prüfen wollte, ob ich tatsächlich die war, für die ich mich ausgab, und mir war schon klar, warum sie es tat. Doch das konnte sie ja nicht wissen. Oder vielleicht doch? Hatte ihr William erzählt, dass er sich mir anvertraut hatte … und war das vielleicht auch der Grund, wieso sie nichts über die vier Jugendlichen gesagt oder mich gefragt hatte, wie ich eigentlich dahintergekommen war, wo sie wohnte?
Aber womöglich hatte sie auch nur einfach nicht über das alles sprechen wollen.
Nicht dass das eine Rolle spielte.
Sie war nett, das war die Hauptsache.
Und ich mochte sie.
Es goss jetzt wieder in Strömen und eine gewittrige Stille lag in der Luft, als ob es jeden Moment von Neuem losgehen würde. Ich eilte hinaus auf die West Green Road und hoffte, nicht lange auf ein Taxi warten zu müssen. Genauso war es. Gerade als es schien, als würde sich der Nachthimmel auf die Erde niedersenken und die regennasse Straße verdunkeln, genau in dem Moment, als ein erstes schwaches Donnergrollendie Luft erfüllte, sah ich das freundliche gelbe Licht eines schwarzen Taxis auf mich zukommen.
Ich streckte die Hand aus, trat zurück, als das Taxi hielt, und stieg hinten ein.
Es war inzwischen zwanzig nach elf, und während das Taxi die Green Lanes entlangrumpelte, überlegte ich, ob ich den Fahrer bitten sollte, an einer Telefonzelle zu halten, damit ich Curtis anrufen und ihm sagen konnte, wo ich war und wie der Stand der Dinge war. Ich hatte auch überlegt, ihn von Nancys Wohnung aus anzurufen, doch dann war mir eingefallen, dass sie gar kein Telefon hatten. Ich schaute durch die regennasse Windschutzscheibe, sah auch weiter vorn den verschwommenen roten Schimmer einer Telefonzelle und wollte den Fahrer schon gerade bitten, davor anzuhalten … doch dann entschied ich mich anders. Islington war jetzt nicht mehr weit. Auf den Straßen herrschte kein Verkehr. In weniger als einer Viertelstunde würde ich da sein. Und was würde es denn bringen, wenn ich Curtis jetzt anrief? Wenn William da war, war er da. Wenn nicht, dann nicht.
Ich setzte mich wieder zurück und betrachtete die vorbeiziehende
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