Live Fast, Play Dirty, Get Naked
drin. Ich packte die Tonne am Rand und rollte sie vorsichtig an der Wand lang, bis sie direkt unter dem Fenster stand. Schließlich schaute ich, ob der Deckel richtig auflag, drückte ihn mit dem Handballen fest, holte noch einmal tief Luft und zog mich dann auf die Tonne. Zuerst schwankte sie wie verrückt und für einen kurzen, nervenaufreibenden Moment fürchtete ich, sie würde umkippen, aber indem ich in die Hocke ging und mein Gewicht ausbalancierte, gelang es mir irgendwie, sie zu stabilisieren. Ich wartete ein paar Minuten, betete, dass niemand etwas gehört hatte, und fing dann – ganz vorsichtig – an mich aufzurichten. Die Füße am rechten und linken Rand der Tonne, erhob ich mich mit den Händen an der Wand, bis mein Kopf direktunter dem Fenster war. Dann hielt ich einen Moment inne und schaute nach oben, um zu erkennen, wo genau der Spalt in der Abdeckung des Fensters war. Wie ich vermutet hatte, befand er sich in der unteren rechten Ecke – ein faustgroßes Loch, wo das Holz weggefault war.
Und ich konnte tatsächlich durchschauen.
Ich war noch immer ungefähr fünfzehn Zentimeter unter dem Fenster, weshalb ich bloß ein kleines Stück Ziegeldach und das Ende von einer Neonröhre sehen konnte, doch als ich mich – mit angehaltenem Atem, die Augen fest auf die Lücke im Holz gebannt – Stück für Stück weiter dem Fenster entgegenreckte, tauchte immer mehr von der Werkstatt ins Blickfeld: die gegenüberliegende Wand … Regale voll Werkzeug, Gerätschaften, Autoteile … Poster halb nackter Frauen, das andere Ende des Werkstattbodens … ein ausgeschlachtetes Motorrad, die Form eines Autos unter einer Abdeckplane …
Und dann sah ich sie. In der Mitte der Werkstatt, vier Männer, die um einen Tisch saßen. Der Mann mit der flachen Kappe, die zwei Jüngeren … und William.
Sie redeten, aber ich hörte nicht, was sie sagten.
Ihre Gesichter leuchteten in dem flackernden Schein einer Petroleumlampe, die auf dem Tisch stand.
Es gab auch noch anderes auf dem Tisch: Papiere, Karten, Ordner, eine Flasche Whisky … Elektroteile, Drähte und Kabel, Schalter, Schaltplatten … abgesägte Stücke von einem Rohr, Beutel mit Nägeln …
Und Waffen.
»Scheiße«, flüsterte ich.
Die Waffen lagen auf einem Stück Sackleinen ausgebreitet – zwei Pistolen, eine Flinte und etwas, das wie ein Maschinengewehraussah –, und als ich durch die Lücke herabstarrte, sah ich, wie der Mann mit der flachen Kappe eine der Pistolen hochnahm und William reichte. William nahm sie entgegen, untersuchte sie und nickte. Er sagte etwas zu dem Kappentyp und die andern zwei lachten. Der mit der Kappe trank aus einem Glas, zündete sich eine Zigarette an, nahm William die Pistole wieder ab und schlug ihm dann auf die Schulter. William nahm sich eine Zigarette aus einer Schachtel auf dem Tisch, zündete sie an und trank ebenfalls einen Schluck Whisky. Wieder sagte er etwas zu dem mit der Kappe. Der Ältere schaute zu dem mit den Fransenhaaren. Der Fransige nickte, sagte etwas zu William und deutete zu einem Haufen großer Plastiksäcke, die, auf einer Palette gestapelt, an der Wand lehnten. Auf den Säcken prangte das Bild eines rotgesichtigen Bauern neben einem gepflügten Feld, darunter stand etwas, das schwer zu entziffern war: Landwirtschaftlicher Dünger.
Bomben , dachte ich.
Düngerbomben.
Waffen, Nägel, Rohre, Schalter …
»Heilige Scheiße« , flüsterte ich.
Und dann, gerade als ich mich auf die Zehenspitzen stellen wollte, um besser sehen zu können, erhellte ein greller Blitz den Himmel und fast im selben Moment folgte direkt über mir ein gewaltiger Donner. Der plötzliche Schlag war so laut und so nah, dass ich zusammenfuhr, und ehe ich wusste, wie mir geschah, hatte sich der Deckel der Öltonne gelöst, mein rechter Fuß war hineingerutscht und ich spürte, wie das ganze Ding wankte. Ich versuchte die Tonne wieder zu stabilisieren, zappelte mit dem rechten Fuß, um sie irgendwie am Boden zu halten, doch mein ganzes Gewichtlag jetzt auf dem anderen Bein und ich konnte nichts machen. Die Tonne kippte. Ich griff nach oben und fasste verzweifelt nach dem Fensterbrett, doch es war zu schmal und das Holz war so alt und verrottet, dass ich keinen Halt fand. Und als die Öltonne krachend und scheppernd unter mir zu Boden ging, war ich mir für den Bruchteil einer Sekunde bewusst, dass ich stürzte … stürzte … und dann – RUMMS ! – presste mir der harte Aufprall die Luft aus der Lunge, dann lag ich da,
Weitere Kostenlose Bücher