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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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öffnete sie.
     
    Der Teig war mit Salami und Peperoni belegt, darunter ein Kranz mit Spinat. Ein schwacher Hauch von Knoblauch mischte sich in den Geruch gebackener Salami. Er kümmerte sich nicht um Gwen Nelsons abschätzenden Blick, als er herzhaft in eines der Stücke biß, sich durch den Spinat biß und merkte, wie der Saft seine Kehle herunter rann, ein schwaches Ziehen, das von den Peperoni herrührte.
     
    „Sie sollten wirklich essen, Gwen“, meinte er.
     
    Die junge Frau schüttelte den Kopf und zog sich zurück in eine der anderen Ecke des Supermarktes, dorthin, wo sie glaubte, weder Turow, noch David, noch einen der anderen Geiseln zu sehen, die sich inzwischen um die Essenslieferung verteilt hatten, die wie ein Schatz der modernen Konsumgesellschaft, als kleiner, schiefer Turm, vor der sitzenden Gestalt Donald Turows aufgebaut worden waren.
     
    „Ich habe keinen Appetit“, sagte sie und ging zu Julie Winters, die neben dem bewußtlosen Polizisten Wache hielt.
     
    „Soll ich Ihnen vielleicht etwas holen, Julie?“ fragte Gwen die robuste, ältere Frau.
     
    „Ich habe keinen Hunger“, war ihre müde klingende Antwort. „Ich kann nicht verstehen, wie irgend jemand Hunger haben kann, in der Lage, in der wir uns befinden. Oh Gott, wenn ich ans Essen nur denke,  habe ich das Gefühl, ich müßte kotzen.“
     
    „Ich auch“, stimmte Gwen leise zu.
     
    Sie setzte sich neben Julie hin, warf einen raschen Blick auf den sterbenden Streifenbeamten, blickte aber schnell wieder weg, als sie sah, wie sich bei jeder kleinen Bewegung die grauen Schlangen seiner Gedärme zwischen den Lücken der Windeln herausdrängen wollten.
     
    „Wie geht‘s dem Jungen?“ fragte Gwen. „Ist das Ihr Sohn?“
     
    „Josh?“ Julies Augen waren schwache Schatten, die in einem aschfarbenen Gesicht kaum mehr auffielen. „Nein, er ist nicht mein Sohn. Es gab mal eine Zeit, in der ich wünschte, er wäre es. Ist gar nicht so lange her. Ich glaube, das war gestern abend.“
     
    „Sie hätten ihm helfen sollen.“
     
    „Ich weiß.“
     
    „Wir alle hätten ihm helfen sollen.“
     
    „Ich weiß.“
     
    Gwen zitterte. Sie merkte, wie sie ihre Hände vors Gesicht halten wollte, aber nicht einmal in der Lage war, die Arme hochzuheben, ohne die Kontrolle über diese doch so einfache Bewegung zu verlieren. Also ließ sie es bleiben.
     
    „Wir waren feige“, flüsterte sie. „wir hätten ihn sterben lassen.“
     
    „Ich weiß.“
     
    „Ein Kind“, fuhr Gwen fort. Sie dachte an das ungeborene Leben, das in ihrem Leib heranwuchs und wünschte sich, sie würde die Scham nicht so deutlich fühlen, wünschte sich, sie würde zuhause in ihrem Bett liegen und das leise Schnarchen Bens hören, wünschte sich, sie hätte etwas, irgend etwas  getan, als sie gesehen hatte, wie Turow die Pistole gegen die Schläfe des Jungen gedrückt hatte. „Wir hätten ihn ein Kind töten lassen.“
     
    Julie Winters antwortete nicht. Nicht einmal das lakonische Ich weiß war zu hören und als Gwen sie mit einem kleinen Seitenblick bedachte, da merkte sie, wie die so stark, so robust wirkende Frau wie ein kleines Mädchen weinte.
     
    Gwen legte den Arm um die Schulter der Frau.
     
    Sie wünschte sich, sie hätte ein paar tröstende Worte, die sie Julie vielleicht hätte sagen können, aber ihr fiel nichts ein.
     
    Kein einziges Wort.
     
     
     
    03:16
     
    Josh hatte nichts mehr gesagt, seit beinahe anderthalb Stunden nicht mehr, während er in der äußersten Ecke des kleinen Raums hockte, den ihnen Turow gegeben hatte. Er hatte sich in die schmale Ecke zwischen zwei der Kühltruhen versteckt, spürte die Kälte, die aus den alten Metallboxen drang, beinahe sichtbar, als leuchtender Wasserdampf, der aus dem Inneren der ungewaschenen, mit heller Lackierung überzogenen Kühlmodelle in die Luft entwich.
     
    Josh zitterte.
     
    Nicht nur wegen der Kälte.
     
    Es war Turows Stimme, die sich wie eine eisige Hand um seinen Nacken gekrallt hatte. Schau dich um, Josh. Keiner würde dir helfen, wenn ich dich jetzt töte. Nicht einmal deine Freundin Julie. Das ist die Wahrheit und das tut weh.
     
    Es tat weh.
     
    Selbst jetzt tat es noch weh.
     
    Er hatte es in den vergangenen Minuten nicht einmal gewagt, Julie Winters anzusehen. Josh verachtete sie nicht einmal. Der Junge fühlte sich von ihr im Stich gelassen und das war es, was den Schmerz in ihm verursachte. Es war die Enttäuschung, von der einzigen Person auf der Welt im

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