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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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aus, Schwester?“ fragte Charlie mit schwachem Räuspern. Sie hielt ihm die Hand vor den Mund, gerade, als er noch etwas sagen wollte. Charlie schmeckte den salzigen Schweiß ihrer Handflächen.
     
    „Nicht sehr gut“, flüsterte sie.
     
    „Die Kavallerie?“
     
    „Steht draußen. Kriegt den Arsch nicht hoch.“
     
    Charlie stöhnte auf.
     
    „Wie lange…wie lange war ich weg?“
     
    „Nicht sehr lange. Ich hätte nicht gedacht, daß Sie wieder erwachen, Officer Foster.“
     
    „Nennen Sie mich Charlie.“
     
    Er streckte die Hand aus.
     
    „Julie“, sagte die Krankenschwester.
     
    Ihre Hände berührten sich und es war ein sanfter, angenehmer Druck.
     
    „Wo ist er?“ fragte er.
     
    Julie Winters nickte in Richtung Kasse: „Da drüben. Wartet. Das ist alles, was er tut. Wir werden hier nicht lebend rauskommen, nicht wahr?“
     
    Sie sog laut zischend Luft in ihre Lungen.
     
    „Sie haben bestimmt Erfahrung damit, Charlie“, flüsterte sie dann.
     
    „Nein“, meinte er. „Ist auch für mich das erste Mal, daß ich sterbe.“
     
    In ihren Augen las er Erschrecken. Charlie umfaßte ihr Handgelenk. Sie versuchte nicht, sich ihm zu entziehen, obwohl sie es gekonnt hätte.
     
    „Ist schon okay“, versuchte er, die Krankenschwester zu beruhigen, „wir sind noch nicht tot. Noch nicht.“
     
    „Okay, Julie“, meinte er dann und zeigte ein schwaches Lächeln. „Wir haben eine Menge Arbeit und ziemlich wenig Zeit. Können Sie mit einer Pistole umgehen?“
     
    „Nein.“
     
    Er runzelte die Stirn.
     
    „Ich…hasse Waffen“, beeilte Julie sich  zu rechtfertigen, „Ich habe gesehen, was sie anrichten können…jeden Tag im Krankenhaus…ich arbeite in der Notaufnahme, wissen Sie? Wir kriegen jede Nacht Dutzende von Schußverletzungen…Ich sehe Kinder, die…eine Kugel…und…“
     
    Sie deutete auf seinen Bauch.
     
    Charlies Grinsen verstärkte sich.
     
    „Ja, ich weiß“, sagte er. „ Kein schöner Anblick, nicht wahr?“
     
    Sie schüttelte den Kopf.
     
    „Er wird auf uns beide achten, Julie. Turow, meine ich. Er wird irgendwann hier hin kommen und fragen, ob ich schon tot bin. Ich werde meinen Revolver brauchen“, sagte er leise. „Das ist unsere einzige Chance. Wenn er nahe genug herankommt, dann müßte ich es schaffen…“
     
    Charlie spürte seine linke Hand nicht mehr, die rechte war nur ein dumpfes Pochen, das in seinem Oberarm anfing. Er biß die Zähne zusammen, als seine rechte Hand so weh tat, daß er nicht einmal mehr die Finger bewegen konnte.
     
    „Vielleicht müssen Sie‘s tun, Julie“, flüsterte er. „Sie oder jemand anders im Supermarkt. Vielleicht schaffe ich‘s nicht.“
     
    „Ich kann keinen Menschen töten.“
     
    „Es ist einfach“, antwortete Charlie, „denken Sie nicht daran. Wenn Sie‘s tun müssen, dann zielen Sie einfach in Turows Richtung und drücken Sie ab.“
     
    „Ich bin Krankenschwester. Ich bin mein Leben lang dafür verantwortlich gewesen, daß…“, sagte Julie. „Ich kann…keinen Menschen töten…“
     
    „Wollen Sie sterben?“
     
    „Nein“, meinte sie dann.
     
    „Haben Sie Kinder?“
     
    „Eines. Eine Tochter. Ihr Name ist Caroline.“
     
    „Wie alt ist sie?“
     
    Julie stockte. Holte eine Brieftasche aus ihrer Handtasche und öffnete das lederne Etui. In dem rechten Einband, hinter einer Plastikfolie, war das Foto eines jungen Mädchens, 16 oder 17 Jahre alt. Sie strahlte dem Fotografen entgegen, während sie auf dem Sitz einer Kinderschaukel saß und die beiden Stahlketten umfaßte, die das schmale Holzbrett knapp drei Fuß über dem Schotter des Bodens hielten.
     
    „Das ist sie“, meinte die Frau. „Das Foto ist erst drei Wochen alt. Ich hab‘s im Gramercy Park aufgenommen, als ich eine Freischicht hatte und…“
     
    „Mein Partner ist in der Kühltruhe“, stellte Charlie fest, „richtig?“
     
    Julie nickte.
     
    Charlie blickte an ihrer stämmigen Gestalt vorbei, auf die drei Truhen, die vielleicht nicht mehr als vier Meter von ihm entfernt waren, getrennt nur durch ein Regal. Es hätte genauso gut auf der anderen Seite des Erdballs sein können.
     
    „Hat der Mistkerl meine Waffe?“
     
    Nicken.
     
    „Die Waffe von meinem Partner?“
     
    Etwas in Julie Winters‘ Augen leuchtete auf, einen Augenblick lang, lange genug, daß Charlie sich ein schiefes Grinsen erlauben konnte. In seinem Verstand hörte er die Stimme seiner Frau. In dem

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