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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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nur…
     
    Der Gedanke versickerte, und sie drehte sich herum und versuchte, unbeteiligt in eine andere Richtung zu blicken. Momentan keine Chance. Später. Wenn es ein Später gab. Turow hatte die Tür nicht bemerkt, hatte ihr absolut keine Beachtung beigemessen. Später.
     
    Eine Chance. Eine sehr kleine Chance.
     
    Vielleicht alles, was sie momentan hatte.
     
    „GWEN, ICH WIEDERHOLE MICH NICHT NOCH EINMAL. BRINGEN SIE IHRE FREUNDIN AUS DER TEIGWARENABTEILUNG MIT, WENN SIE ZURÜCKKOMMEN. ODER ICH KOMME ZU IHNEN.“
     
    „Ja, verdammt“, murmelte Gwen, „ich komme ja schon, du Scheißkerl.“ Sie tippelte über die Scherben der Flasche hinweg, um den Pfützen auszuweichen und steckte dann ihre Hände in die Hosentaschen und senkte ihr Gesicht nach unten, damit Turow es nicht über Video beobachten konnte. Sie war schon auf halbem Weg zur Teigwarenabteilung, als sie plötzlich das Geräusch hörte.
     
    Das Quietschen von rostigen Türangeln, das Knarren einer alten und im Türrahmen verzogenen Tür, die sich selbst unter der Kraftanwendung nur widerwillig öffnete.
     
    Eine Stimme. Davids Stimme.
     
    Nein , schrie es in Gwen auf.
     
    „Franklin?“ meinte er. „Ich bin‘s nur. Keine Panik.“
     
    Bitte, David, sei ruhig. Bitte geh zurück. Er hat dich vielleicht noch nicht gehört. Geh zurück, Verschwinde, renn so schnell du kannst. Du bist vielleicht noch nicht auf den Monitoren zu sehen, wenn du zurückgehst. Oh Gott, bitte, nein. Er hat dich noch nicht gesehen. Bitte. Er hat dich noch nicht gesehen.
     

Es war wie ein kleines Fragment eines unvollkommenen Gebets, das sich in Gwens Gedanken immer wieder abspulte, schnell und abgehackt und ängstlich.
     
    Natürlich hatte Turow ihn gesehen.
     
     
     
    00:55
     
    Das Licht in dem Supermarkt blendete David für einen Augenblick, als er hereintrat und die kalte Luft spürte, die aus den Tiefkühltruhen links und rechts von ihm standen und gerade wieder mit dunklem Brummen angesprungen waren, um die Temperatur in ihnen auf konstant -16° Celsius zu halten. David atmete durch. Die Luft hier war bei weitem nicht so stickig.
     
    Er sah hoch zu der Kamera.
     
    „Franklin?“ rief er. „Ich bin‘s nur. Keine Panik.“
     
    Dann fiel ihm auf, wie unglaublich ruhig der Laden wirkte. Er konnte nicht feststellen, woran es lag. Er konnte seinen eigenen Atem hören – und das Brummen der Tiefkühltruhen wirkte übermäßig laut. Dröhnte sogar in seinen Ohren.
     
    Was fehlte?
     
    Es war wie ein Schlag in sein Gesicht. Er wußte, was fehlte. Die Gespräche von Kunden, die niemals ganz zu verlöschen schienen, egal, wie wenig Leute hier in dem Laden einkaufen waren. Manchmal waren es Selbstgespräche, manchmal der Klatsch von alten Teetanten, die sich hier nur zu treffen schienen, um Gerüchte aus ihrer Nachbarschaft auszutauschen, weil das Harper‘s irgendwie neutraler Boden war, wie Genf, der perfekte Ort, um Gespräche zu führen, die im Endeffekt keinerlei Konsequenzen nach sich zogen.
     

     
    Hier war der Ort – zwischen tiefgefrorenen Steaks und Fischstäbchen – wo die Nachricht von Claudia Milquists Hochzeit zum ersten Mal veröffentlicht wurde, eine Stunde sogar noch, bevor Claudia ihre Mutter in Wisconsin anrief, um ihr die Neuigkeiten mitzuteilen.
     
    Hier wurde Naomi Hobergs Alkoholprobleme einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.
     
    Hier wurde Mitleid ausgedrückt, als bekannt wurde, daß Dorothy Browns Schwester gestorben war, obwohl bis heute die genaue Todesursache der jungen Frau nicht zweifelsfrei festgestellt worden war, zumindest nicht im Laden, und das war alles, was zählte. Gesprächsstoff gab es immer genügend. Aber es war ruhig.
     
    Und das war nicht alles.
     
    Nicht nur die Gespräche fehlten.
     
    Es waren auch die Geräusche, die verstummt waren. Normalerweise gab es immer ein Crescendo von verschiedenen Quietsch- und Kreischtönen, das durch die Gänge hallte, wenn einige der Kunden einen so großen Einkauf durchführten, daß sie sich einen der Einkaufswagen nahmen, die links vom Eingang in einer Ecke bereitgestellt worden waren und von denen es nur noch ein Dutzend gab
     
    Nichts.
     
    Und es gab keine Lautsprecherdurchsagen, nur das hohle Knacken einer offenen Leitung, die  nicht benutzt wurde. David lauschte. Keine Sonderangebote, keine Stimme.
     
    Stille.
     
    „Hey, Franklin!“ rief er. „Hast du den Laden abgeschlossen? Oder sind alle Kunden früher nach Hause gegangen?“
     
    In einem Augenblick

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