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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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Gesicht
     
    Einer der Polizisten, es war der Beifahrer, blickte aus dem Wagen. Er sah ins Harper‘s hinein, nickte, als würde er Gwen bemerken, bevor er sich zum Fahrer wandte und der Wagen ihr Gesichtsfeld verließ.
     
    Was zum Teufel sahen sie?
     
    Gwen war versucht, zu schreien, einfach loszubrüllen, irgendeinen Hilferuf, aber sie machte nur ihren Mund auf, schnappte nach Luft.
     
    Was zum Teufel hatten die Polizisten gesehen?
     
    „Sie haben einen halbvollen Supermarkt gesehen, Gwen“, sagte David neben ihr. Waren ihre Gedanken so offensichtlich gewesen? „Die Polizisten haben nichts außergewöhnliches gesehen. Die beiden Leichen sind hinten in den Kühlboxen. Mindestens fünf der Leute hier sind von außen nicht zu sehen. Sie haben sich hingesetzt oder lehnen gegen die Regale. Die übertünchten Fenster von draußen lassen nur jemanden erkennen, wenn er – oder sie – aufsteht. Sehen Sie? Das läßt sechs von uns übrig. Vier davon stehen an der Kasse. Turow dahinter. Er hat seinen Mantel, sein Jacket ausgezogen und seine Krawatte abgebunden, also könnte er ein Angestellter des Ladens sein.“
     
    Er sah, wie sie versuchte, etwas darauf zu erwidern, also hob er seine Hand, um ihren Einwand schon im Keim zu ersticken.
     
    „Ich sage, könnte . Natürlich – wenn man genau hinsieht, dann wird man bemerken, daß das Hemd zu teuer ist. Und daß er nicht gerade aussieht wie ein Angestellter in einer zweitklassigen Supermarktkette. Und wenn man sich die Gesichter der Kunden genau betrachtet, dann kann man erkennen, daß sie eine Scheißangst haben.“
     
    Davids Stimme war zu ruhig für jemanden in dieser Situation - einmal abgesehen von der Tatsache, daß sich die braune Farbe seiner Haut zu einem käsigen Weiß gebleicht hatte.
     
    „Aber bedenken wir“, fuhr er mit seiner schulmeisterlichen Stimme fort, „wieviel Zeit die Polizisten gehabt haben, um in den Laden hereinzuschauen.“
     
    Eine Ewigkeit , dachte Gwen. Sie hatten mindestens eine Ewigkeit und zwei Stunden gebraucht, um die sieben Meter des Schaufensters hinter sich zu lassen und in der 8ten Straße zu verschwinden. Sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie das Zeichen auf der Beifahrertür ausgesehen hatte. Auf der Tür war die Notrufnummer 911 gemalt worden, darüber das Symbol der New Yorker City Police und der Spruch, in das Symbol eingearbeitet: TO PROTECT AND SERVE. Am unteren Rand des Chassis waren Schmutzspritzer gewesen.
     
    Sie konnte all diese Einzelheiten nicht in so kurzer Zeit in sich aufgenommen haben. Sie hatte eine gute Beobachtungsgabe, aber für solche Details brauchte selbst sie Zeit. Sehr viel Zeit.
     
    „Ich würde sagen, sie hatten knapp drei oder vier Sekunden in den Laden gesehen, vielleicht sogar weniger. Ich würde sogar mit einiger Sicherheit sagen, weniger als drei Sekunden.“
     
    Drei Sekunden? Unmöglich. Es war länger, viel länger gewesen.
     
    „Und was haben sie gesehen? Eine kleine Schlange an der Kasse. Und einen Angestellten hinter der Kasse, der sich nach bestem Wissen bemühte, sein Kunden so schnell wie möglich abzufertigen.“ David seufzte.
     
    „Das hier sieht nicht wie ein Raubüberfall aus. Das kannst du mir glauben, Gwen. Ich war zweimal dabei, als das Harper‘s überfallen wurde. Das war totales Chaos. Das waren einmal zwei Minuten, das andere Mal weniger als eine. Da war ein Kerl, der mit einer abgesägten Pumpflinte in den Laden kam und sofort anfing, loszuballern. Das Regal dahinten…“
     
    David zeigte auf ein Regal hinter ihnen.
     
    „…wurde von einer Schrotladung pulverisiert. Ich meine, es wurde schon mit dem ersten Schuß auseinandergenommen. Und da habe ich mir vor Angst in die Hose gemacht, Gwen. Ich habe die Kasse geöffnet und dem Kerl alles gegeben, was er haben wollte. Ich hätte ihm auch noch meine Ersparnisse gegeben, wenn er danach gefragt hätte. Der Kerl nahm das Geld, steckte sich einen Schokoriegel ein – hab ich nie verstanden – und verschwand wieder, noch bevor überhaupt jemand hier in der Nachbarschaft genügend Zeit gehabt hatte, die Cops zu rufen. Die kamen erst zehn oder zwölf Minuten später. Ich kann mich nicht so genau daran erinnern. Aber verstehst du, worauf ich hinauswill?“
     
    Gwen runzelte die Stirn.
     
    „Du meinst…“, begann sie.
     
    „Niemand wird kommen. Es gab zwei Schüsse, richtig? Ich meine, jemand in der Gegend hier wird ja wohl die Cops angerufen haben, richtig? Vielleicht war das sogar der Grund,

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