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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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aneinander kuschelten, Männer, die mit den Händen in den Taschen ihrer Jacken herumliefen und sich häufig umblickten, als ob sie sich vergewissern wollten, daß niemand hinter ihnen war. Es war nicht viel, aber Bill reichte das aus. Das Beobachten machte ihn müde und er schlief im Sessel ein und wachte erst mitten in der Nacht auf, wenn sein Bein anfing wehzutun und er wußte, daß es an der Zeit war, zum Bett herüber zu humpeln und sich dort hinzulegen.
     
    Häufig, wenn es noch früh am abend war, dann rief er die Polizei an und beschwerte sich. Nicht, weil es so verdammt viel gab, über das er sich beschweren konnte, aber es machte Spaß, sich mit Geraldo Peréz zu unterhalten, der am anderen Ende der Leitung saß. Der alte Geraldo regte sich nicht über seine Anrufe auf, er nahm sie mit derselben Höflichkeit an, die er wahrscheinlich auch einem tollwütigen Hund entgegenbrachte, wenn er jemals einen sehen sollte.
     
    Bill beschwerte sich dann, brummelte etwas ins Telefon über die ‚guten alten Zeiten‘ und Geraldo versprach, sich um die Beschwerde zu kümmern und hing auf und der Abend ging seinen gewohnten Lauf.
     
    Heute nacht war es anders.
     
    Bill hatte seine üblichen Beschwerden schon hinter sich gebracht, als er den ersten Schuß gehört hatte. Und er wußte wie sich ein Schuß anhörte. Er rief Geraldo an.
     
    Geraldo Peréz war höflich, vielleicht etwas erstaunt, daß es schon nach halb Eins nachts war, als der Anruf von ihm kam, versprach, sich um die Beschwerde zu kümmern und legte auf. Und Bill wußte, wußte,  daß nichts passieren würde.
     
    „Verdammte Scheiße“, brummelte Bill um zwanzig Minuten nach ein Uhr, als er die zwei neuen Schüsse hörte. Aber rief er Geraldo nicht noch einmal an. Er wollte sich schließlich nicht zum Narren machen, also ließ er das Telefon an seiner Seite in Ruhe und verschob er sein Gewicht auf die linke Seite seines Hinterns, um den Anfang eines Krampfes aus der rechten Seite herauszubekommen und schaute durch das Teleskop. Er sah nichts.  Die 9te Straße war einsam und verlassen. Nur die regelmäßigen Lichtkegel auf dem Gehweg und dem teilweise aufgerissenen Straßenbelag spiegelten sich in der Linse des 20-20. Bill lehnte sich zurück und starrte das Telefon an, das neben ihm auf der Lehne des Sessels stand und nur darauf wartete, daß er es abhob und die Polizei anrief. Er nahm den Hörer in seine Hand, hörte den langen, wehklagenden Ton, der anzeigte, daß die Leitung frei war und legte nach einem Moment wieder auf.
     
    „Alter Mann“, verfluchte er sich selbst und schüttelte den Kopf. „Siehst Gespenster, das tust du nicht wahr? Hörst Gespenster, nicht wahr? Schüsse. Verlierst noch den letzten Rest deines verkalkten Verstandes, Billy-Boy.“
     
    Es waren Schüsse gewesen.
     
    Sein Finger lag auf der Wahlwiederholung des Telefons. Die letzte Nummer war die des 13ten Reviers gewesen.
     
    Ruf an!
     
    Es waren Schüsse gewesen.
     
    „Verrückter, alter Mann“, murmelte Bill und legte das Telefon wieder hin. „Gespenster.“ Als der Hörer wieder auf der Gabel lag, verstummte das dunkle Pfeifen und er fühlte sich seltsam erleichtert. Wer hätte ihm denn auch geglaubt? Geraldo Peréz vielleicht? Blödsinn. Er war Bill Jarvinen, der Verrückte aus der 9ten Straße, der jeden Abend solche Anrufe losließ. Sich über Gott, die Welt und all den Scheiß dazwischen beschwerte.
     
    Wer würde ihm denn glauben?
     
    Es waren Schüsse gewesen.
     
    Sein Bein schmerzte. Es waren keine Phantomschmerzen, die dort anfingen, wo das Knie endete und irgendwo in der Luft ihr Zentrum hatten, als könnte er dort immer noch seinen Unterschenkel und seinen Fuß spüren - diese Art von Schmerzen waren schon Anfang der 70er Jahre verschwunden, nicht mehr als Erinnerungen.
     
    Wie Lynn. Erinnerungen.
     
    Bill beugte sich mit seinem Oberkörper nach vorne und kratzte seinen verspannten Oberschenkelmuskel. Der Schmerz löste sich, wie ein verstockter Knoten, den man nur an der richtigen Stelle anfassen mußte.
     
    Er sollte in Bett gehen, sagte Bill sich selbst.
     
    Es waren Schüsse gewesen.
     
    Bill blieb sitzen.
     
    Er schaute wieder zum Telefon.
     
     
     
    01:24
     
    Gwen sah in die Augen des Mannes vor ihr und erblickte eine Reflektion ihres eigenen, von Angst gezeichneten Gesichtes.  Turow hatte alle Lichter des Supermarktes abgeschaltet, bis auf die spärlichen Lampen der Notbeleuchtung und die Glühbirnen der Kühltruhen, die im

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