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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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mich Huck nennen sollen.“
     
    Klick. Der Irre hatte aufgelegt.
     
    Ein kleine Ewigkeit passierte nichts. Sawyer atmete tief durch, rieb sich die dicke Knollennase und wollte gerade sagen, „Der Scheißkerl blufft doch…“
     
    Dann fiel der Schuß.
     
     
     
    01:44
     
    Welches Arschloch ist am anderen Ende der Leitung? fragte sich Julie Winters, als sie mit halben Ohr das Gespräch belauschte, das Turow am Telefon führte.
     
    „Ich hab‘s“, sagte er gerade und sie schaute rechtzeitig auf, um das leichte Grinsen auf seinem Gesicht zu erkennen, das sie so sehr erschreckte, „Ich nenne mich Huckleberry Finn. Finden Sie das nicht auch eine gute Idee, Sawyer?“
     
    Einen Moment später gefror das Grinsen auf Turows Gesicht. „Sie werden mich mit Huck anreden. Oder auch Huckleberry. Oder Finn. Wenn Sie es nicht tun, Sawyer, dann erschieße ich eine der Personen, die sich hier im Supermarkt befinden.“
     
    Tu es , dachte Julie in einem wirren, gedanklichen Befehl, als ob sie in der Lage wäre, direkt mit dem Polizisten zu sprechen, der draußen auf der anderen Seite der Barrikaden, der anderen Seite der flackernden Lichter stand, geschützt, sicher und die Angst, den Wahnsinn nur durch die dünne Nabelschnur einer Handyverbindung mitbekam, Scheißegal, ob du glaubst, daß der Name des  Mannes Turow ist. Nennen wir ihn doch einfach Huck.
     
    Turows Gesichtszüge verdunkelten sich.
     
    „Ich glaube, Sie haben mich nicht verstanden, Sawyer“, sagte er, „Sie hätten mich Huck nennen sollen.“
     
    Turow legte auf.
     
    „Josh, komm her“, flüsterte sie dem Jungen zu, der sich einige Schritt neben ihr befand und mit stumpfen Blick auf die Blutlache starrte, die langsam am kalten Metall der Kühltruhen gefror und sich in ein bizarres Muster aus roten Eiskristallen umwandelte. Er reagierte nicht. „Josh, komm bitte her.“
     
    Sein Kopf ruckte hoch, als wäre er gerade aus einem tiefen Traum erwacht, die Augen weit aufgerissen und voller Schrecken, als wüßte er nicht genau, wo er sich befand.
     
    „Dad“, wisperte er, „ich habe nichts getan. Bitte, laß es sein. Ich habe nichts getan, bitte Schlag mich nicht…“
     
    Turow kam langsam auf Josh zu, kniete sich neben dem Jungen nieder und strich ihm über die Haare. Der Teenager zitterte, wich der Berührung aber nicht aus. In seinen Augen waren Tränen.
     
    „Ich…ich werde jetzt sterben“, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme, „nicht wahr? Sie werden mich jetzt erschießen?“
     
    „Hast du Angst vor dem Tod, Josh?“
     
    Julie hielt den Atem an. Sie mußte doch etwas tun. Und was denn genau? Denk an Caroline. Du hast ein Tochter, Julie. Er ist ein netter Junge, aber er ist nicht dein Sohn. Er gehört nicht zu deiner Familie.
     
    Sie schämte sich selbst für diese Gedanken. Aber sie tat nichts. Sie wandte ihren Kopf ab, als Josh zu ihr herüber sah.
     
    „Ja, Sir“, antwortete Josh, nachdem er sah, daß er von niemanden Hilfe erwarten konnte.
     
    „Nietzsche hat einmal gesagt, daß man am Abgrund stehen muß, um sich selbst zu erkennen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß es Nietzsche gewesen ist. Kennst du den Mann?“
     
    „Nein, Sir.“
     
    „Ich auch nicht. Zumindest nicht persönlich.“ Turow lächelte, als ob er gerade einen guten Scherz gemacht hatte. „Aber er ist ein sehr cleverer Mann gewesen. Schau dich um, Josh. Keiner würde dir helfen, wenn ich dich jetzt töte. Nicht einmal deine Freundin Julie. Das ist die Wahrheit, und das tut weh. Verstehst du das? Ich möchte, daß du die Wahrheit erkennst, Josh. Ich möchte das wirklich. Ich möchte, daß du verstehst, daß man am Ende immer allein ist, am Ende immer allein an diesem Abgrund steht.“
     
    „Ich verstehe, Sir.“
     
    Turow tätschelte die Wange des Jungen.
     
    Tu etwas! schrie es in Julie auf, aber Turow hatte recht gehabt. Niemand von ihnen hier würde etwas tun. Niemand würde sein eigenes Leben für den Jungen riskieren. Zur Scham mischte sich auch noch die Selbstverachtung.
     
    Niemand würde ihm helfen.
     
    Nicht einmal sie.
     
    Josh wartete auf den Tod.
     
    Er schaute auf und erwartete halb, daß es nicht der gepflegt aussehende Mann in seinem teuren Anzug über ihm war, sondern das unrasierte Gesicht seines Dads, der ihn mit rot unterlaufen Augen ansah und meinte, Ich liebe dich, Josh. Das mußt du wissen. Alles, was ich dir antue, das geschieht aus Liebe zu dir.
     
    „Ist schon okay, Dad“, flüsterte er, „Ich liebe dich

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