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Liverpool Street

Liverpool Street

Titel: Liverpool Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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wie geplant stattfinden! Er würde zu uns kommen, wenn auch nur für eine Woche.
    Impulsiv griff ich nach Amandas Hand und schwenkte sie mit einem Jubelschrei, der auch den letzten Rest von Schrecken vertrieb. Gary, Mamu, Amanda, Onkel Matthew, Walter … es gab so viele Gründe, diesen Krieg zu überstehen! Es würde immer Gründe geben! Wie hatte ich das nur vergessen können?
    Für eine Frau im Krieg gibt es nichts Schöneres, als ihren Soldaten vom Bahnhof abholen zu können: Diese feste Überzeugung hatten die sehnsüchtigen, melancholischen Schallplatten in mir geweckt, die Amanda und ich jeden Abend hörten, und ebenso fest war meine Vorstellung davon, wie man sich auf ein solches Ereignis vorzubereiten hatte.
    »Leihst du mir einen deiner Hüte?«, fragte ich meine Pflegemutter.
    »Natürlich leihe ich dir einen Hut. Aber vorher musst du dich entscheiden, was du überhaupt tragen willst, damit auch alles zusammenpasst«, belehrte sie mich.
    Worauf ich Stunden damit zubrachte, zwischen meinem und ihrem Zimmer, in dem sich ein großer Spiegel befand, hin- und herzuwandern und eine zunehmend hoffnungslose Bestandsaufnahme meines Kleiderschranks zu machen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich darin immer alles gefunden, was ich suchte; ja ich war sogar der Meinung gewesen, sehr viele brauchbare Kleidungsstücke zu besitzen. An diesem Morgen jedoch trafen mich gleich mehrere verstörende Erkenntnisse: Erstens fand ich nichts, was zusammenpasste, zweitens gab es kein einziges Stück, das mir wirklich stand, und drittens sah ich insgesamt blöd aus, was mir bisher noch nie aufgefallen war.
    Amanda fand mich in Tränen aufgelöst, ihr und mein Zimmer ein Schlachtfeld. »Ihr könnt allein zum Bahnhof gehen!«, heulte ich.
    »Großer Gott«, sagte sie matt und sah sich um. »Wie lange hast du hierfür gebraucht? Eine Stunde? Zwei?«
    Ich schleuderte ein paar Kleidungsstücke von ihrem Bett, warf mich darauf und schluchzte: »Geh weg, lass mich in Ruhe!«, erfahrungsgemäß ein guter Auftakt für Trost und Zuspruch.
    Doch auch Amanda war heute nicht in gewohnter Form. »Jede freie Minute«, sagte sie mit bebender Stimme, »in der ich nicht Buchhaltung mache und Filme vorführe und Karten verkaufe … jede freie Minute putze, koche und wasche ich in diesem verdammten Haus. Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, Frances«, steigerte sie sich langsam hinein, »aber ich strenge mich sehr an, damit wir hier noch ein Zuhause haben! Ich erwarte nicht von dir, dass du im Haus auch noch mithilfst. Du bist ein Kind, du sollst deine Freizeit haben, das ist wichtig. ABER ICH ERWARTE VERDAMMT NOCH MAL VON DIR, DASS DU ES MIR NICHT NOCH SCHWERER MACHST!«
    Ich starrte mit offenem Mund. Noch nie hatte Amanda mich angebrüllt. Noch nie hatte sie zweimal hintereinander »Verdammt« gesagt. Noch nie hatte sie dabei etwas vom Boden aufgehoben, und sei es auch nur ein Kleidungsstück, und mich damit beworfen !
    »In einer Viertelstunde«, sagte sie zitternd, »hängt jedes einzelne Stück wieder an seinem Platz und in diesem Raum ist ORDNUNG, hast du mich verstanden?«
    Ich nickte sprachlos. Amanda rauschte hinaus und war erst bis zur Treppenmitte gekommen, als ich schon im Flur stand, den Arm voller Kleider und unterwegs in mein eigenes Zimmer. Unsere Blicke trafen sich und in der Sekunde, bevor sie sich wieder umwandte, weil die Hausglocke läutete, konnte ich sehen, dass sie nicht weniger erschüttert von ihrem Ausbruch war als ich.
    Ihr Aufschrei beim Öffnen der Haustür riss mir den Kleiderstapel aus dem Arm, ich stürzte die Treppe hinunter, ein wilder, fremder Instinkt … und blieb nach wenigen Schritten wie angewurzelt stehen. Ein weiß-blauer Marinesoldat schleppte Amanda durch den Flur, begleitet von seinem eigenen Triumphgeheul und ihrem erstickten, halbherzigen Protest: »Wieso kommst du schon jetzt? Wir wollten dich abholen! Dad ist nicht einmal zu Hause!«
    Der Matrose stellte Amanda wieder auf die Füße und ich, die von der Treppe aus zusah, war völlig gebannt von der Ähnlichkeit zwischen ihnen, die mir ganz in Vergessenheit geraten war in den elf Monaten, in denen ich Gary nicht gesehen hatte. »Hätte ich das gewusst«, sagte er und grinste, »hätte ich natürlich den halben Tag am Bahnhof auf euch gewartet, aber ich Idiot dachte, du freust dich über jede zusätzliche Minute, die du mich im Haus hast!«
    Es war wohl das Wort Haus, das ihn einen Moment umherblicken ließ, und in diesem einen Moment entdeckte

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