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Liverpool Street

Liverpool Street

Titel: Liverpool Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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junge Frau schüttelte noch einmal den Kopf, redete und tippte weiter auf ihre Brust. Plötzlich verstand ich: Sie war in diesem Haus die Köchin! »Yourself cook?«, fragte ich unsicher. Sie nickte. Ich schaute auf meinen Zettel, sagte: »Thank you for your time«, und rannte so schnell davon, als wollte ich die Schallmauer durchbrechen.
    Erst am Ende der Straße machte ich halt, blickte zurück und fühlte trotz des Misserfolgs Triumph in mir aufsteigen. Ha! Ich hatte es tatsächlich getan! Mein erstes Haus! Und so schlimm war es gar nicht gewesen. Noch vor zwei Monaten hatte ich mich an Hauswänden entlanggedrückt und in Einfahrten versteckt, nun konnte ich einfach so an fremden Türen klingeln! Ein fast schwindliges Hochgefühl nahm von mir Besitz; erst jetzt, in diesem Augenblick, bekam ich einen Geschmack davon, was es hieß, sich sicher zu fühlen! Ich konnte es kaum erwarten, am nächsten Haus zu klingeln.
    Wo alles unerwartet schnell ging. Ich sagte: »Excuse me«, und schon war die Tür wieder zu. Ich hatte nicht einmal Zeit festzustellen, ob ein Mann oder eine Frau geöffnet hatte!
    Verdutzt stand ich auf der Straße und überlegte. Wahrscheinlich hatte die Person an der Tür befürchtet, ich wolle ihr etwas verkaufen – zum Beispiel das Wörterbuch, das ich unterm Arm trug. Rasch versteckte ich es in der Schultasche und beschloss, vor dem nächsten Haustüröffner erst einmal einige Sekunden freundlich zu lächeln, bevor ich etwas sagte.
    Ich übte das Lächeln auf dem Weg. Ein Fußgänger lächelte zurück. So ermutigt, klingelte ich am nächsten größeren Haus, stand vor einem sehr alten Herrn in Pantoffeln und wurde, noch bevor ich auch nur ein Wort gesagt hatte, gebeten: »Come in, dear! Have a cup of tea!«
    Das wurde ja immer besser! Jetzt war ich schon im Haus, und wenn man erst einmal im Haus war, würden sich die Leute auch anhören, was man zu sagen hatte! Aufgeregt blickte ich mich um. Das Wohnzimmer, in das der alte Herr mich führte, war klein und dunkel, vollgestopft mit Möbeln, Büchern und mindestens einem Dutzend Katzen. Überall lagen Decken, Kissen und Körbchen und stand gebrauchtes Geschirr herum, bei dem nicht erkennbar war, ob Mensch oder Tier davon gegessen hatte. Kurz: Das Haus war einfach perfekt! Geradezu händeringend wurde hier eine Haushaltshilfe gebraucht! Ich wurde des Strahlens auf meinem Gesicht kaum Herr, als ich mich zwischen zwei dicke rote Katzen auf das Sofa quetschte.
    Der alte Herr hantierte mit dem Teekännchen. »My name is Frances«, stellte ich mich vor, aber erst als ich eine Tasse in der Hand hielt. »Need you a help in the house?«
    Der alte Herr ließ sich in einem Ohrensessel nieder. Von allen Seiten kletterten Katzen auf seinen Schoß oder setzten sich auf seine Brust und ich konnte zusehen, wie er unter schnurrenden Pelzen fast verschwand, während er nicht mehr aufhören wollte, mir zu antworten. Er redete, rief und hustete, ruderte zwischendurch mit den Armen, schlug auf seine Sessellehne ein und lachte krächzend.
    Nach etwa zwei Minuten fing ich an, sehr intensiv an Professor Schueler zu denken. »Warte mit deinen Besuchen, bis du besser Englisch verstehst«, hatte er mir geraten, und wenn ich so klug gewesen wäre, auf ihn zu hören, hätte ich jetzt zumindest gewusst, was ich gesagt oder getan hatte, um den alten Herrn in derartige Aufregung zu versetzen! Die Shepards verstand ich ja mittlerweile recht gut, aber dieses Gespräch war eine echte Blamage.
    Und war es wirklich klug von mir, auf alles, was der alte Herr sagte, zu nicken und »Yes« zu sagen? Was, wenn er gerade einen Arbeitsplan für mich machte? Wenn ich mich richtig erinnerte, war ich überhaupt noch nicht dazu gekommen, meine Eltern auch nur zu erwähnen! Plötzlich sah ich mich eingesperrt in diesem dunklen Haus, Berge von Geschirr spülen und Katzenhäufchen aufwischen. Wie lange würde es dauern, bis mich die Shepards fanden? Drei Tage? Drei Wochen?
    Erst als der alte Herr aufstand, zum Schrank ging und ein Fotoalbum herausholte, erkannte ich, dass auch er kein Wort von dem verstanden hatte, was ich ihm zu sagen versuchte!
    »My mother is a cook!«, probierte ich es noch einmal.
    »You hungry?«, brüllte er zurück und ließ sich mit dem Album neben mich fallen.
    »No! My parents look work!«
    Es hatte keinen Sinn. Der arme alte Herr war stocktaub. Gemeinsam beugten wir uns über das Fotoalbum und sämtliche Katzen wechselten zu uns auf das Sofa.
    Professor Schueler fand,

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