Liz Balfour
will«, murmelte ich. »Ich weiß, dass du mich hören kannst, Mam.«
29.
Sie wollten, dass ich nach Hause ging. Sie sagten, ich bräuchte dringend Ruhe, und auch Deirdre bräuchte Ruhe. Aber ich wollte einfach nur am Bett meiner Mutter sitzen und ihre Hand halten, bis sie sich wieder bewegte. Ich hatte Angst, etwas zu verpassen, nicht dabei zu sein, wenn sie aufwachte. Ich wollte, dass ich die Erste war, die sie sah. Ich hatte Angst, Deirdre könnte spüren, dass ich wegging, und es falsch verstehen. Sich aufgeben. Gar nicht mehr aufwachen. Erst, als der diensthabende Arzt und zwei der Krankenschwestern mich mit sanftem Druck aus Deirdres Zimmer schoben, merkte ich selbst, wie erschöpft ich war und verstand, dass sie recht hatten.
Ich hielt kurz bei Tesco und holte mir ein Sandwich und eine Cola. Da ich meine Krücken nicht mehr hatte, musste ich die Schmerzen bei jedem Schritt aushalten, aber es störte mich nicht. Im Gegenteil, ich war froh über den körperlichen Schmerz, denn er lenkte mich ab von dem inneren Aufruhr, der mich sonst vielleicht um den Verstand gebracht hätte.
Nach dem Einkaufen fuhr ich nach Myrtleville. Ich rechnete nicht damit, dass Kate schon wieder zurück war. So schnell würde sie Patrick nicht laufen lassen. Aber es
brannte Licht, als ich an Emerald Cottage ankam. Verwundert stieß ich die Eingangstür auf und rief nach ihr.
»Im Wohnzimmer«, rief eine Männerstimme, aber es war nicht Patrick, der geantwortet hatte. Es war Benjamin.
»Was tust du hier?«, rief ich gereizt in den Flur und kämpfte mich ins Wohnzimmer. Benjamin war nicht allein. Oliver Jenkins saß mit ihm zusammen, und der Wohnzimmertisch war mit Papieren bedeckt. »Was soll das?«
»Mrs. Russell.« Jenkins stand auf und ging auf mich zu, um mich zu begrüßen. Ich wich zurück. »Ich wollte Sie besuchen, um mit Ihnen über den anstehenden Verkauf zu reden. Ihr Mann war so nett, mich hereinzulassen, und dann war ich so frei, ihn schon mal mit allem vertraut zu machen.«
»Ally, ich war hier, um auf dich zu warten, als er kam«, sagte Benjamin und hatte den Nerv zu lächeln.
»Wie bist du hier reingekommen?«, fragte ich eisig.
»Mit unserem Notfallschlüssel natürlich«, antwortete er. Vor einem Fremden würde er niemals eine Schwäche zeigen. Er spielte glückliches Ehepaar, um Jenkins nicht in Verlegenheit zu bringen. Jenkins und sich selbst.
Oliver Jenkins setzte sich wieder an den Tisch und schob seine Papiere zusammen. »Ich fürchte, mein kleiner Überfall auf Sie, Mrs. Russell, kommt höchst ungelegen …«
Er ließ den Satz in der Luft hängen, in der Hoffnung, ich würde ihn – wenigstens aus Höflichkeit – nicht wegschicken. Aber ich sagte: »Da haben Sie recht. Es tut mir wirklich leid, dass Sie umsonst gekommen sind, aber ich
würde jetzt doch gerne mit …« Ich zögerte kurz. Wie sollte ich Benjamin nennen, »meinen Ehemann«? Das brachte ich nicht mehr über die Lippen. »… mit Mr. Russell allein reden.«
Jenkins räumte die Papiere in seine Aktentasche. »Natürlich. Natürlich. Ich muss mich entschuldigen, dass ich so unangemeldet … Aber ich war gerade in der Gegend und dachte … Na ja. Darf ich mich dann morgen wegen eines Termins bei Ihnen melden?«
»Nein.«
Die barsche Antwort schockierte ihn. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich wieder gefangen hatte. »Dann passt Ihnen vielleicht ein anderer Tag?«
»Mr. Jenkins, ich habe mich entschieden. Ich werde das Cottage nicht verkaufen.«
»Aber Ihre Mutter…«
»Meine Mutter«, unterbrach ich ihn, »dachte, sie täte mir einen Gefallen, wenn es verkauft würde. Aber sie hat sich geirrt. Ich möchte nicht, dass Sie hier seelenlose Ferienhäuser hochziehen und die Landschaft mit einem Shopping Center verunstalten.«
»Kein Shopping Center«, korrigierte er mich rasch. »Wie ich Ihrem Mann gerade erklärt habe – und wie Sie wissen, ist er ein absoluter Befürworter des Projekts, nicht wahr, Mr. Russell?« Benjamin nickte eifrig. »Ich konnte ihn sofort dafür begeistern, und er meinte, einem Verkauf stünde seines Wissens nichts im Wege. Statt eines Shopping Centers, wie von Ihnen angenommen, wird lediglich …«
»Es interessiert mich nicht mehr, was Sie vorhaben«, fiel ich ihm ungeduldig ins Wort. »Sie werden Ihre Pläne
nicht umsetzen können. Ich verkaufe nicht, und soweit ich weiß, verkauft Eoin O’Connor ebenfalls nicht, und damit fällt ein großer Teil des Baugebiets, das Sie bräuchten, weg. Sie werden sich
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