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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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etwas von mir preisgegeben.
    »Warte«, rief ich und öffnete die Augen, aber er war schon weg. Er musste in die Seitenstraße abgebogen sein, ohne abzuwarten, dass ich ihm auf Wiedersehen sagte.
    Ich war enttäuscht, dass er so leicht aufgegeben hatte. Nein, nicht enttäuscht – ich war sauer, beleidigt, verletzt. Und unerklärlicherweise tief unglücklich.
    Ich sah auf die Uhr, dann in den Himmel. Die Sonne ging auf. Es fuhren schon Busse nach Myrtleville.
    Nach dieser Nacht schlief ich sehr schlecht. Ich wälzte mich unruhig herum. Im Halbschlaf sah ich ihn immer wieder vor mir, wie er mich beim Tanzen nicht aus den Augen gelassen hatte. Wie er mich vor den Púcas gewarnt hatte. Ich sah ihn vor mir an Orten, an denen wir nie zusammen gewesen waren. Als ich endlich einschlief, träumte ich, wie ich Benjamin vorwarf, nie mit mir zu tanzen. Ich träumte von Púcas und Kobolden und Feen, wie ich mich ganz selbstverständlich unter ihnen bewegte, und wieder tanzte ich mit ihm zu Moloko. Ich fuhr vor Schreck hoch, als wir uns gerade küssen wollten.
Mein Herz raste, als wäre ich eben erst von der Tanzfläche gekommen. Ich musste mir wohl oder übel eingestehen, dass etwas Fürchterliches mit mir geschehen war. Fürchterlich und wunderbar zugleich: Ich hatte mein Herz an diesen Unbekannten verloren.
     
    Deirdre hatte ich nie davon erzählt. Eoin musste ihr irgendwann einmal gesagt haben, dass er mich in Cork getroffen hatte. Er musste von Deirdres Tochter, die in England lebte, erfahren und eins und eins zusammengezählt haben. Sonst hätte er mich wohl kaum so problemlos wiedererkannt und zugeordnet.
    Es war nichts passiert in dieser Nacht, und gleichzeitig war so viel passiert. Die Begegnung hatte mich in große Zweifel gestürzt, was mein Leben anging. Wie konnte es sein, dass die leichte Berührung eines Fremden so große Sehnsucht in mir auslöste, meine Gefühle für Benjamin in Frage stellte, mir fast das Herz brach? Oder lag es doch nur am Alkohol, dass ich so verwirrt war? Konnte es mit Benjamin und mir überhaupt weitergehen, wenn ich so leicht aus der Fassung zu bringen war?
    Ich dachte am nächsten Tag lange nach und musste mir eingestehen, dass ich in dieser Nacht in Cork so viel Spaß gehabt hatte wie schon seit Jahren nicht mehr. Mit Benjamin in England war alles leiser, seriöser, zurückhaltender. Und ich musste mir gut überlegen, ob ich das wollte. Den gesamten Tag nach der Party verbrachte ich wie in Watte gepackt. Ich konnte nicht einmal etwas essen. Es fühlte sich an wie Liebeskummer, und irgendwie war es das ja auch.
    Ich quälte mich noch Tage und Wochen danach und
sprach nur mit meiner Freundin Kate darüber. Sie riet mir, das vereinbarte Jahr mit Benjamin als das zu sehen, was es war: eine Probezeit, und zwar für beide.
    »Keine überstürzten Entscheidungen«, sagte sie. »Wahrscheinlich hast du nur kalte Füße.«
    Eine offizielle Verlobung lehnte ich deshalb vorerst ab, was Benjamin klaglos akzeptierte. Doch zwei Monate später schämte ich mich entsetzlich für meine Zweifel und war mir so sicher, wie ich mir nur sein konnte, dass ich genau das Leben führte, das ich mir immer gewünscht hatte. Ich beschloss, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Es konnte schließlich nicht sein, dass mich ein Mann, den ich nicht einmal besonders attraktiv fand, über den ich nichts wusste, dessen Namen ich nicht einmal kannte, so aus der Bahn warf. Ich vermied es, mich bei Róisín nach seinem Namen zu erkundigen, ich fuhr nicht nach Cork, um auf eine zufällige Begegnung mit ihm zu hoffen. All das tat ich nicht, weil ich Angst davor hatte, mich zu verrennen. Mich ganz und gar zu verlieren.
    Kate hatte sicher recht gehabt, ich hatte kalte Füße bekommen. Eine vorübergehende Verwirrung, sonst nichts. Vielleicht war es wirklich nur ein wenig mehr Unberechenbarkeit, die ich mir im Leben mit Benjamin wünschte, mehr Spontaneität, und ließ sich das nicht einrichten? Ich verlobte mich ganz offiziell mit Benjamin und sprach nie wieder mit Kate über diese Nacht in Cork.
     
    Und nun, sieben Jahre später, saß ich unter dem sternklaren Himmel am Strand und lauschte dem Rhythmus der Wellen. Seit Jahren hatte ich zum ersten Mal wieder den
Moloko-Song im Kopf: »Fun For Me«. Ich stand auf und merkte, dass ich ziemlich durchgefroren war.
    Der Aufstieg zum Cottage kurbelte meine Durchblutung wieder an. Leise schlich ich mich in mein Zimmer, um Deirdre nicht zu wecken. Mit offenen Augen lag ich im Bett

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