Liz Balfour
seitdem natürlich viel mehr um die Ohren gehabt als ich. Viel mehr Leute getroffen, bist viel mehr rumgekommen.«
»Na ja«, wiegelte ich ab.
»Doch, doch«, lachte er. »Wenn du wüsstest, was ich alles von dir weiß. Man findet dich im Internet! «
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. »Du hast nach mir gesucht?«
»Ich sollte doch Deirdre unbedingt zeigen, was für eine fleißige Tochter sie hat. Sie ist fast geplatzt vor Stolz.«
Mir blieb für einen Moment die Luft weg. »Was?«, keuchte ich.
»Natürlich! Sie hat sich alles von mir ausdrucken lassen.«
Mich hatte sie nie nach meiner Arbeit gefragt. Ich hatte gedacht, sie wüsste nicht einmal, was ich tat. Dabei war sie immer über alles informiert gewesen. Oder wenigstens über die großen Fälle, die durch die Presse gingen, und über das, was wir auf unserer Homepage schrieben.
»Wie lange schon?«, fragte ich.
»Das geht ein paar Jahre so, genau kann ich es dir gar nicht sagen. Soll ich nachsehen?«
»Nachsehen?«
Er lachte wieder. »Du solltest mal in den Spiegel schauen. Du machst ein Gesicht, als hätte dir jemand gesagt, dass du mit drei Elefantenbabys schwanger bist.«
Ich ignorierte diese Bemerkung. »Wo willst du nachsehen ?«, hakte ich nach.
»Sie hat ein Album angelegt und alles, was ich ihr ausgedruckt hatte, eingeklebt. Wenn du dir das Datum vom ersten Eintrag ansiehst, wirst du wissen, wie lange es her ist, seit dich deine Mutter via Internet stalken lässt.« Er lächelte mich an. Aber dann schien ihm etwas einzufallen, und er wurde mit einem Schlag ernst. »Warum habt ihr nie geredet?«
»Das ist kompliziert.« Nervös wich ich seinem Blick aus. Er erwiderte nichts, schien stattdessen zu warten, dass ich weitersprach. Aber ich sagte nichts mehr. Ich starrte auf meine Wasserflasche. Dann sah ich auf die Uhr. Noch mindestens eine Dreiviertelstunde, bis Benjamin zurückkam.
»Gehen wir zu ihr?«, fragte ich.
»Wenn ich mitkommen darf?« Er stand auf und sah mich forschend an.
»Das wäre gut«, sagte ich und meinte es auch so. »Aber eine Sache muss ich noch wissen.«
»Was?« Eoin kam einen Schritt näher auf mich zu.
»Warum wurde als Erstes Deirdres Anwältin verständigt und nicht ich?«
Ich erwartete, dass er meinen Blick meiden würde, aber das tat er nicht. Er legte den Kopf etwas zur Seite, musterte mich, als sähe er mich zum ersten Mal, und sagte dann: »Deirdre wusste, dass sie eines Tages Probleme bekommen könnte, und sie wollte nicht, dass man dich unnötig damit belastet. Sie sagte immer: ›Ally hat so viel zu tun, sie kann es nicht auch noch gebrauchen, dass ich ihr Ärger mache. Sie soll ihr Leben leben, ganz frei und unbeschwert.‹ Ihre Anwältin hatte die Anweisung, sich nur dann bei dir zu melden, wenn es wirklich schlimm um sie stand. Und … wenn Handlungsbedarf war. «
Ich schüttelte den Kopf. »Moment, ich verstehe das alles nicht. Heißt das, sie war schon öfter im Krankenhaus, und ich weiß nichts davon?«
Er nickte. »Es war nie lebensbedrohlich.«
Fassungslos schlug ich die Hände vors Gesicht. »Hast du deshalb jeden Tag nach ihr gesehen?«
Er nickte wieder. »Wir da draußen achten aufeinander. Das müssen wir. Die einzelnen Häuser liegen weit auseinander. Es geht nicht anders.«
»Und was meintest du mit Handlungsbedarf?«
Diesmal wich er meinem Blick aus. »Da musst du mit
der Anwältin reden.« Er wandte sich um und wollte die Cafeteria verlassen, aber ich hielt ihn am Arm fest.
»Moment, was gibt es denn noch alles, wovon ich nichts weiß?«
Abwehrend hob er die Hände. »Ally, bitte, sprich mit Deirdres Anwältin, ich kann doch dazu nichts sagen.«
»Warum stehst du ihr näher als ich?«, fragte ich ihn verzweifelt.
Er sah mich an, dann legte er seine Arme um mich und drückte mich an sich. »Das stimmt doch gar nicht«, flüsterte er. Ich war so überrascht von dieser Geste, dass ich mich nicht wehrte.
Er war es, der die Umarmung mit einem Ruck löste. »Lass uns zu ihr gehen und ihr etwas erzählen«, sagte er mit fester Stimme. »Hast du ihr schon was erzählt?«
Ich wich verwirrt einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. »Mir ist nichts eingefallen.«
Er drehte sich um und ging entschlossen den Flur runter, so schnell, dass ich Mühe hatte, ihm zu folgen. »Oh, aber mir fällt eine ganze Menge ein.«
Eoin saß noch nicht richtig am Krankenbett meiner Mutter, als er schon loslegte. »Deirdre, ich bin’s, Eoin. Ich soll dich von Ryan und Mel grüßen. Der
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