Liz Balfour
können. Der Rest des Geldes sollte von der Anwältin in Absprache mit mir verwaltet werden, um damit die Pflege meiner Mutter zu finanzieren. Dann gab es noch zwei Listen: Möbel und Wertgegenstände, die zusammen mit dem Cottage verkauft, andere Dinge, die bis zu ihrem Tod aufgehoben werden sollten.
»Was mit denen geschehen soll, hat sie in ihrem Testament genau festgelegt«, erklärte Deirdres Anwältin.
Ich schüttelte energisch den Kopf. »Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich sehe überhaupt keinen Grund, warum Emerald Cottage jetzt verkauft werden soll. Es ist noch überhaupt nicht abzusehen, was mit ihr wird. Vielleicht wacht sie morgen auf! Und heute schon über ihren Tod zu sprechen, ist wirklich geschmacklos.«
Diesmal hob Dr. Murphy nicht nur den Zeigefinger, sondern gleich die ganze Hand. Sie wirkte auf mich wie ein lebendiges Stoppschild. »Ich kann mich gerne wiederholen: Ich handle nur gemäß dem Wunsch und Auftrag Ihrer Mutter.«
»Meine Mutter hat offenbar diese Dinge beschlossen, ohne zu wissen, was sie da tat«, sagte ich grimmig.
»Sie meinen, sie war nicht zurechnungsfähig? Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Nein, ich meine, dass sie nur nicht umfassend informiert war. Eoin O’Connor zum Beispiel wäre der letzte Mensch auf der Erde, dem ich ein Tier anvertrauen würde. Ganz egal, wie rührend er sich um Deirdre gekümmert haben mag, mit Tieren hat er es nicht so. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er vor ein paar Wochen ein Pferd gejagt und gequält hat. Als ich meine Mutter darauf ansprach, wollte sie nichts davon wissen, aber ich weiß natürlich, was ich gesehen habe. Wenn sie über den Mann schon schlecht informiert ist, dem sie ihre Pferde überlässt, wer sagt mir dann, dass sie sich alles andere wirklich gut überlegt hat?«
»Über Eoin O’Connor weiß ich in der Tat nichts, nur, dass Ihre Mutter ihm vertraut hat.«
»Er kann sehr überzeugend charmant sein, aber je länger ich über das alles hier nachdenke – ist er auch im Testament bedacht? Ist das vielleicht der Grund, warum er ständig bei ihr vor der Tür steht? Ich meine, er führt sich teilweise auf, als würde er hier wohnen ! «
»Er hat Ihre Mutter gefunden und dafür gesorgt, dass sie rechtzeitig ins Krankenhaus kommt«, warf Dr. Murphy ein.
Ich holte tief Luft. »Ja, ich weiß, aber ich habe meine Zweifel, was ihn betrifft.« Im Krankenhaus noch hatte ich mich ihm ganz nah, ganz verbunden gefühlt. Ich war ihm zutiefst dankbar gewesen, weil er Deirdre gerettet hatte, und weil er mir gezeigt hatte, wie ich mit ihr »reden« konnte, während sie schlief. Aber dann war die Erinnerung an den gehetzten Braunen wiedergekommen, als die Anwältin von Deirdres Pferden gesprochen hatte. Immer noch hatte ich kein klares Bild von Eoin, im Gegenteil, es
wurde immer widersprüchlicher. Und gerade sagte mir mein Verstand, dass alles auf einen sehr geschickten Erbschleicher hinzuweisen schien. Du meine Güte, zum ersten Mal konnte ich Frauen verstehen, die einem Heiratsschwindler auf den Leim gingen. Wenn die genauso geschickt waren wie Eoin, musste man sich nicht wundern, dass selbst intelligente Frauen Unstimmigkeiten im Verhalten ignorierten und Warnungen von Freunden in den Wind schlugen. War meine Mutter einem Betrüger ins Netz gegangen? Oder war ich einfach nur krankhaft misstrauisch? Passte der Eoin, der ein Pferd mit einem Geländewagen hetzte, zu dem Eoin, der an Deirdres Krankenbett saß und zauberhaft drauflosplaudern konnte?
»Mag sein, dass Sie Zweifel an ihm haben, aber Mr. O’Connor ist gerade nicht unser Thema. Ihre Mutter will, dass das Cottage verkauft wird, und wir beide sollen uns darum kümmern.«
»Nein«, sagte ich energisch und schlug mit der Hand auf den Tisch. Benjamin und die Frau sahen mich erstaunt an. Ich war mindestens ebenso erstaunt über meinen Ausbruch. »Nein«, wiederholte ich etwas ruhiger. »Ich werde das Cottage nicht verkaufen. Sie liegt erst seit gestern im Krankenhaus! Ich bin einfach nicht bereit, jetzt schon diese Schritte einzuleiten. Wenn es um Kosten geht, die anfallen, übernehme ich die selbstverständlich.« Ich sah in die Runde.
»Du glaubst, du gibst sie auf, wenn du ihr Haus verkaufst ?«, sagte Benjamin leise.
Ich schluckte Tränen herunter und nickte. »Ja. Ganz genau. Und sie gibt sich damit auch selbst auf. Das kann ich nicht zulassen.«
»Sie wollte nur sichergehen, dass sie im Notfall versorgt ist.«
» Wir können für sie sorgen!«
Er nickte
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