Liz Balfour
kämpfen, so zu leben, wie es unsere Liebe befiehlt.
Es weiß noch niemand, nur meiner Schwester habe ich davon erzählt. Sie freut sich für mich. Wirklich! Erst dachte ich, die strenge Katholikin in ihr wäre entsetzt, aber sie sagte mir: »Die Liebe fordert Opfer, und wir verstehen nicht immer ihren Sinn. Aber du kämpfst nun schon so viele Jahre mit dir, und du bist so unglücklich, ich denke, du
machst genau das Richtige.« Kannst du das glauben?
Die vorlaute kleine Angie (klein? Sie ist schon sechzehn!) hatte natürlich an der Tür gelauscht. Sie kam rein, schaute mich kritisch an und sagte: »Warum hast du damals überhaupt geheiratet? Niemand muss heute noch heiraten, nur weil Kinder unterwegs sind. Du heiratest Deirdre ja auch nicht, oder doch?« Ich sagte: »Ich kann sie nicht heiraten, aber ich würde es sofort tun, wenn es das Gesetz erlauben würde.« Angie sagte: »Was sind das für Gesetze, die den Menschen vorschreiben, wen sie lieben sollen?«
Dafür handelte sie sich von ihrer Mutter eine schallende Ohrfeige ein, gefolgt von einem Vortrag über die Iren und die katholische Kirche und Moral und Anstand. Ich musste ehrlich gesagt lachen, liebe Deirdre, denn Angie hat ja recht, und natürlich weiß auch Eileen, dass sie recht hat, aber sie glaubt, ihren »erzieherischen Aufgaben« nachkommen zu müssen. Ich freue mich so sehr, dass es die beiden in meinem Leben gibt und dass sie voll und ganz hinter mir stehen. Bald wirst du sie auch kennenlernen. Ich bin wirklich glücklich und erleichtert, dass wir bei ihnen wohnen können. »Dafür ist die Familie doch da«, sagte Eileen, aber wir wissen ja beide, dass gerade die Familie sich mit Ausreißern wie uns besonders schwertut… Egal, lass uns keine dunklen Gedanken wälzen, schauen wir nach vorne.
Ich wünsche dir also eine gesegnete Weihnachtszeit und alles Gute für das Neue Jahr. Es wird unser Jahr.
Deirdre, ich bin für immer dein Naoise.
In Liebe,
M.
14.
»Gut, dass Sie da sind«, rief die Ärztin, kaum, dass sie mich sah. Sie rannte mir auf dem Krankenhausflur entgegen. »Ich wollte Sie gerade anrufen. Der Zustand Ihrer Mutter hat sich verschlechtert. Wir müssen noch einmal operieren.«
Mir wurde schwindelig. Schlechte Nachrichten und zu wenig Schlaf vertrugen sich nicht, schon gar nicht mit meiner Aufregung um Naoise. Die Ärztin fing mich auf, bevor ich auf den Boden schlug, und half mir ins nächste Behandlungszimmer, wo ich mich hinlegen konnte.
»Bleiben Sie hier, ich schicke Ihnen eine Schwester mit einer Tasse süßem Tee vorbei. Sie können jetzt sowieso nichts tun außer warten.« Und schon war sie wieder verschwunden. Zitternd vor Angst richtete ich mich auf. Ich wollte ihr nachgehen, sie fragen, was passieren würde. Ich musste doch wissen, wer Deirdre operierte und wo, wie lange es dauern würde und was genau man mit ihr machte. Aber kaum hatte ich mich aufgesetzt, wurde mir wieder schwarz vor Augen.
Das Nächste, was ich mitbekam, war eine Krankenschwester, die mir die Wange tätschelte und sagte: »Aufwachen, Liebes, der Tee wird sonst kalt.« Sie hatte keine Ähnlichkeit mit der schönen Krankenschwester aus den
Briefen. Sie war groß und sehr dick und jenseits der fünfzig. Um Mund und Augen hatte sie dunkle Schatten und tausend kleine Falten. Ihre Hände rochen nach Nikotin und Desinfektionsmittel. Als sie mir ein Kissen unter den Kopf geschoben hatte und ich mich etwas aufrichten konnte, hielt sie mir den Tee hin.
»Er schmeckt fürchterlich. Er hat viel zu lange gezogen. Und ich habe mehr Zucker reingetan, als so eine Bohnenstange wie Sie in einer Woche zu sich nimmt. Aber es ist genau das, was Sie jetzt brauchen.« Sie zwinkerte mir zu und tätschelte mir noch einmal die Wange.
»Danke«, sagte ich. »Wissen Sie, wie es meiner Mutter geht?«
»Wenn Sie mir verraten, wer Ihre Mutter ist? Mir hat man nur gesagt: ›Trish, weiblicher Kreislauf in der Fünf, starker Tee mit Zucker‹.«
Ich musste lächeln. »Weiblicher Herzinfarkt, Koma, Intensivstation?«
»Tja, Herzchen, da müssen Sie leider abwarten. Sie hatte einen weiteren Infarkt, so etwas passiert. Sie ist sofort in den OP geschoben worden, und ich bin mir sicher, die Ärzte tun, was sie können. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen, außer vielleicht noch: Sehen Sie zu, dass Sie was zu essen bekommen. Sonst behalten wir Sie auch gleich hier. Essen, trinken und schlafen. Damit helfen Sie Ihrer Mutter jetzt am meisten. Dann sind Sie nämlich fit, wenn
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