Liz Balfour
eine Londonerin in die irische Wildnis setzt. Mit Stöckelschuhen und Laptop. Sie wird überall nach einer Steckdose suchen und keine finden, und sie wird Blasen an den Füßen vom vielen Herumlaufen in der hügeligen Landschaft bekommen.«
Ich kicherte trotz allem ein bisschen. »Ich trage keine Absätze. Ich habe mir den Fuß einfach so verknackst.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Was ist mit dem Besitzer?«
Eoin schüttelte den Kopf. »Als die Leute während des Aufschwungs viel Geld gemacht haben, kauften sie sich alles, was für sie Status ausmachte. Unter anderem auch edle Reitpferde, Zuchtpferde, Rennpferde. Und jetzt nach der Krise haben sie kein Geld mehr, für sie zu sorgen. Sie setzen sie einfach aus.«
»Siehst du, dein Vergleich hinkt. Londonerinnen würde niemand einfach so aussetzen.«
»Da wäre ich mir mal nicht so sicher an deiner Stelle.«
Ich stellte ihm tausend Fragen, weil ich mehr über die Pferde wissen wollte. Er erzählte mir, dass der Tierschutzbund schon tat, was in seiner Macht stand, aber es waren einfach zu viele Pferde. Tausende irrten durch Irland. Sie verhungerten oder verdursteten, weil sie sich nicht selbst versorgen konnten, oder sie wurden von Autos erwischt, weil sie erschöpft und desorientiert waren. Sie verletzten sich und gingen an den Entzündungen zugrunde. Eoin und seine Freunde hatten einen kleinen Verband gegründet, der die Pferde im County einsammelte, aufpäppelte und dann weitervermittelte. Eoin stellte die Ställe und Futter zur Verfügung. Ein Tierarzt war mit von der Partie, drei weitere kümmerten sich in erster Linie um ein neues Zuhause, indem sie Anzeigen schalteten, die Homepage pflegten, Flyer verteilten und auf alle erdenkliche Arten nach neuen Besitzern für die Tiere suchten.
»Ein teures Hobby«, sagte ich nachdenklich.
»Ja«, sagte Eoin.
Ich versuchte zu verbergen, wie beeindruckt ich von ihm war. »Genug geredet«, sagte ich brüsk. »Wir müssen los.« Ich ließ mir von ihm aufhelfen und wandte mein Gesicht ab, damit er nicht sah, wie ich es vor Schmerz verzog.
»Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?« Er öffnete die Beifahrertür, damit ich auf den Sitz klettern konnte.
»Quatsch. Wir suchen das Pferd, was denn sonst?«
D.,
bald schon…
M.
15.
»Das Pferd kann nicht weit gekommen sein«, sagte Eoin. »Dazu war es viel zu schwach und erschöpft. Aber die Dunkelheit macht es uns nicht gerade einfach.«
»Entschuldigung«, murmelte ich und spähte durch die Windschutzscheibe. Wir fuhren langsam die Küstenstraße entlang, vorbei an einsamen Cottages und Höfen. Ich verfluchte gerade innerlich meinen Tatendrang. Nie hätte ich zu ihm ins Auto steigen sollen! Als hätte ich nicht schon genug Probleme. Dieser Mann war eine emotionale Achterbahnfahrt. Erst faszinierte er mich so sehr, dass ich kurz vor meiner Hochzeit an meiner Beziehung zweifelte. Dann wurde er Jahre später unerwartet vom Erbschleicher zum netten Kerl, vom Tierquäler zum Tierschützer. Und jetzt musste ich mich fragen, ob wir denselben Vater hatten, weil Martin O’Connor in den Siebzigerjahren mit meiner Mutter fremdgegangen war. War ich wirklich Eoins Halbschwester? Was bedeutete das für mich – und für ihn? Der Schmerz in meinem Fuß war schlimm, aber nicht schlimm genug, um diese verwirrenden Gedanken zu vertreiben. Ich wollte ihn in ein Gespräch über die Pferde verwickeln, um an etwas anderes denken zu können.
»Warum tust du das eigentlich?«
Eoin bog auf einen Feldweg ab. »Ich mag Pferde. Ich mag alle Tiere, aber Pferde ganz besonders. Ich bin mit ihnen aufgewachsen. Mein Vater hatte eine Pferdezucht, wie schon mein Großvater.«
Dieser Themenwechsel war mir offensichtlich misslungen. Ich biss mir auf die Lippen, wappnete mich und fragte dann: »Und was macht dein Vater jetzt?«
»Er ist tot«, sagte Eoin. Das Fernlicht tauchte die Landschaft in gespenstisches Weiß.
»Das tut mir leid.« Ich würde also nie den Liebhaber meiner Mutter kennenlernen können. Den Mann, dessen Briefe ich las, dessen zärtliche Worte ich kannte. Der vielleicht mein Vater war.
»Nein, schon in Ordnung. Das ist lange her«, sagte Eoin.
»Und deine Mutter?«
»Verstorben.«
»Oh. Langsam komm ich in Schwung mit den Fettnäpfen. «
»Kannst du ja nicht wissen.«
Normalerweise hätte ich jetzt pietätvoll aufgehört, über seine Eltern zu reden, aber ich musste einfach mehr wissen, ich brannte darauf, so viel wie möglich zu erfahren. »Kannten deine
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