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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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Eltern Deirdre?« Ich beobachtete ihn genau, um herauszufinden, wie er reagierte.
    Die Frage schien ihn nicht besonders zu berühren. »Ich glaube, sie hatten nicht viel miteinander zu tun. Ich habe Deirdre erst richtig kennengelernt, als ich schon Anfang zwanzig war. Meine Mutter und sie hatten keinen besonderen Draht zueinander, und mein Vater war längst tot.«

    Er wusste also von nichts. Natürlich nicht, sonst hätte er ganz anders reagiert. Mit klopfendem Herzen fragte ich weiter: »Und was ist mit dem Rest deiner Familie?«
    »Meine Geschwister sind alle im Ausland: Toronto, Auckland und Johannesburg. Unsere Eltern haben für jeden von uns Geld zurückgelegt, um unsere Ausbildung zu finanzieren. Mein Vater soll immer gesagt haben: ›Uns Iren zieht es entweder ganz weit weg ohne Wiederkehr, oder wir hängen an unserem Stück Land, bis wir tot umfallen‹.
    Leider hat er nicht mehr erlebt, dass wir alle studieren und immerhin drei seiner Kinder in die Welt hinausgehen. Na ja, und ich habe dann die Pferde übernommen.«
    Wenn er mein Halbbruder ist, dachte ich, dann sind das ebenfalls meine Halbgeschwister! Es war fast nicht zum Aushalten. Wie sahen sie wohl aus? Wie waren sie? Würden sie mich akzeptieren? Dann bremste ich mich wieder: Warte, Ally, du weißt noch gar nichts … Warte …
    Eoin erwähnte nicht, wie sein Vater gestorben war. Er sprach nur davon, dass er eines Tages nicht mehr da war. Eine merkwürdige Formulierung, wie ich fand, aber ich wagte nicht, genauer nachzufragen. Eoin hatte neben dem Studium seiner Mutter mit dem Gestüt geholfen, und als er fertig gewesen war, hatte er sich ganz um alles gekümmert. Seine Geschwister hatten auf jegliche Beteiligungen an dem Betrieb verzichtet. Sie hielten die Verbindung nach Irland aufrecht, trafen sich sogar mindestens zweimal im Jahr, aber sie brauchten kein Land, kein Eigentum in Irland. »Eoin macht das schon«, hieß es, und Eoin machte es tatsächlich. Er erwirtschaftete während des Aufschwungs einen stattlichen Gewinn – er
kaufte von dem Geld ein paar umliegende Ländereien und modernisierte den Betrieb.
    »Irgendwann waren wir sozusagen ausverkauft«, sagte er und lachte. »Die Nachfrage war so riesig, dass ich keine Pferde mehr hatte, die wir verkaufen konnten. Es gibt unter Züchtern eine Faustregel: Ein Hengst sollte nicht mehr als vierzig Stuten decken, sonst leidet die Qualität der Zucht. Viele der Züchter haben sich nicht mehr daran gehalten, weil das Geschäft zu gut lief. Aber ich wollte das nicht. Ich sah diese Entwicklung als Zeichen. Die Zucht hatte mir nie sehr gelegen. Und dieser Boom war mir zuwider. Nein, das ist nicht das richtige Wort. Er war mir unheimlich.«
    Also überlegte er sich, den Betrieb umzuwandeln. Er wollte einen klassischen Reiterhof aus dem Gestüt machen. Gutmütige Pferde, auf denen Kinder und Erwachsene reiten lernen konnten. Er nahm auch therapeutisches Reiten ins Programm auf. Kaum hatte er die Verträge mit diversen Kliniken und Therapeuten unter Dach und Fach, kam die Wirtschaftskrise, und kein Mensch gab mehr Geld für etwas anderes aus als für das Nötigste. Viele mussten ihre Häuser und Grundstücke verkaufen und hatten nun keine Wiesen und Weiden mehr für die Tiere, von Ställen ganz zu schweigen. Hätte Eoin weiter auf die Zucht gesetzt, wäre er längst bankrott. Mit Luxusartikeln war in Krisenzeiten kein Geld zu machen, und die Pferde waren nichts anderes als Luxusartikel gewesen. Wie Uhren oder Antiquitäten. Nur dass diese keine laufenden Kosten produzierten.
    »Und deshalb haben alle ihre Pferde ausgesetzt?«, fragte ich.

    Eoin nickte. »Ich habe jeden Einzelnen angerufen, der ein Pferd bei mir gekauft hatte. Ich wollte den Leuten anbieten, die Tiere bei mir günstig unterzubringen. Der Unterhalt geht richtig ins Geld: Futter, Tierarztrechnungen, Pflege … Ich schrieb Briefe, schaltete Anzeigen, aber nur ein Einziger meldete sich. Bei fast allen anderen muss ich davon ausgehen, dass sie die Pferde entweder auf dem Schwarzmarkt gegen Handys oder eine Playstation getauscht haben oder dass sie sie bei illegalen Rennen so lange laufen lassen, bis sie tot umfallen. Oder die Tiere sind ausgesetzt worden und von den Klippen gestürzt, von Autos überfahren, verhungert, was weiß ich.«
    Bei aller Neugier auf seine Familie war ich froh, dass wir wieder ein neutral es Thema hatten. »Wenn die Pferde nun so günstig zu haben sind, müssten sich da nicht Interessenten finden?«, fragte

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