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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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die davor parkten, sahen gleich aus. Würde so der Ferienpark aussehen? Identische Häuser mit identischer Einrichtung und identischen Bewohnern? »Urlaub für
Individualisten« wollte Oliver Jenkins es nennen. Was war daran individuell – gleich aussehende Ferienhäuser statt Hotels? Außerdem war Jenkins’ Idee nicht neu, nur ein einträgliches Geschäftsmodell mit einem hübschen, irreführenden Namen. Eoin hatte wahrscheinlich recht mit seinem Widerstand.
    Auf der anderen Seite des Krankenhausgeländes war ein riesiger Tesco Supermarkt. Wer hier wohnte, ging mit Sicherheit dort einkaufen. Die wenigsten von den Anwohnern machten sich wohl noch die Mühe, in einen anderen Teil von Cork zu fahren und einen Einzelhändler aufzusuchen. Und wer von ihnen ging wohl noch in die Innenstadt zum English Market, um frisches Gemüse, Käse, Fleisch, Fisch und Delikatessen zu kaufen? Bei meinen Recherchen im Internet über Jenkins war ich auf Umfragen gestoßen, die im Ergebnis klar zeigten: Bequemlichkeit stand an erster Stelle beim Einkaufsverhalten, kurze Wege und lange Öffnungszeiten verwiesen Qualität und ein gutes Sortiment auf die hinteren Plätze.
    Es war ja auch viel einfacher, mit dem riesigen Supermarkt vor der Haustür. Dabei war der English Market in der Princes Street so wunderbar. Es gab ihn seit dem 18. Jahrhundert, hundert Jahre später wurden die schönen viktorianischen Gebäude errichtet, in denen er sich noch heute befindet. Ich konnte mich noch daran erinnern, wie meine Eltern von dem großen Feuer gesprochen hatten, das im Jahr nach meiner Geburt, 1980, den Markt zerstört hatte. Der Neuaufbau nahm Rücksicht auf die ursprüngliche Architektur, und wenn mich meine Eltern mit dorthin nahmen, fühlte ich mich jedes Mal wie auf einem anderen Planeten. Die vielen Gerüche, die
vielen Stimmen! Was es hier alles zu kaufen gab! Man konnte Stunden in diesen schönen Hallen zubringen und immer wieder an den Ständen Neues entdecken.
    Die Urlauber würden den English Market in Cork vielleicht besuchen. Viele Touristen taten es. Sie hatten Zeit, und sie klapperten die Orte aus den Reiseführern ab. Sie würden einmal während ihres Aufenthalts dorthin gehen, ein wenig einkaufen, Fotos machen, das war’s. Aber für den täglichen Bedarf würden sie den bequemsten Weg gehen. Kaum einer von ihnen würde die kleinen Geschäfte in Myrtleville oder den anderen Dörfern aufsuchen. Wenn wirklich ein Industriegebiet mit großen Supermärkten erschlossen werden sollte, würden die Ortschaften ausbluten.
    Die Innenstadt von Cork bestand schon seit Jahren aus den üblichen Geschäften, die in jeder anderen größeren Stadt zu finden waren. In Irland wie in Großbritannien. Langsam aber sicher verloren die Städte ihr Profil. Wollte ich, dass mit den Dörfern nun genau dasselbe geschah?
    Ein paar Patienten mit Schlaflosigkeit und Nikotinsucht schlenderten im Bademantel zwischen Krankenhaus und Parkplatz durch die hereinbrechende milde Nacht. Ein Motor startete, kurz darauf fuhr der Wagen langsam vom Gelände. Ich sah hinauf in den Himmel und fand viel weniger Sterne als draußen an der Küste. Ich stellte fest, dass ich mich nach Eoin sehnte. Schon seit Tagen. Wenn nicht seit Jahren. Es hatte keinen Sinn, mir länger etwas vorzumachen. Ich konnte nicht mehr davor weglaufen.
    Ich hatte nie in Betracht gezogen, dass Benjamin fremdgehen könnte. Nie ernsthaft. Ich war mir seiner Liebe immer absolut sicher gewesen. Diesen Verdacht auf
dem Silbertablett präsentiert zu bekommen, tat zweifellos weh, aber nicht so weh, wie er tun sollte. Ich hatte weder Wut noch Verzweiflung gespürt, ich war nach der ersten Aufregung ruhig genug gewesen, ihn strukturiert auszufragen und seine Antworten zu analysieren. Ich war misstrauisch und nervös geworden, aber ich spürte keine existenzielle Verlustangst. Einen Stich in der Magengegend, aber keinen Riss im Herzen. War mir Benjamin egal geworden?
    Und war nicht ich vielmehr diejenige, die untreu war? Ich hatte nie darüber nachgedacht, wo für mich Untreue anfing. Schon im Kopf? Oder erst, wenn man einen anderen berührte? Reichte ein Kuss, oder musste es Sex sein? Ich hatte mich von Eoin küssen lassen. Ich sehnte mich nach ihm. Ich hatte wegen ihm meine Beziehung zu Benjamin infrage gestellt, ohne auch nur seinen Namen zu kennen. Ich genoss seine Nähe, und auch mein Körper wollte ihn. Wie würde ich reagieren, wenn Benjamin so zu einer anderen Frau stünde? Ich horchte in mich hinein,

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