Liz Balfour
wartete auf Widerstand und Empörung, doch nichts kam. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Benjamin mit Sandra Barnes schlief. Sie war eine sehr attraktive und intelligente Frau, neben der selbst deutlich jüngere Frauen verblassten. Fühlte ich denn keinen Schmerz? Keine Abscheu? Keine Wut?
Ich wusste nicht, wo ich nun hingehen sollte. Ins Cottage und mit Kate reden? Zum Flughafen und den ersten Flieger nach London nehmen? Mich doch wieder an Deirdres Bett setzen und ihr alles erzählen? In die Cafeteria? Ja, das würde mir noch etwas Zeit zum Nachdenken verschaffen. Als ich langsam über den Parkplatz
zurück ins Krankenhausgebäude ging, traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht: Ich wäre erleichtert, wenn Benjamin eine andere hätte. Es täte sicherlich weh, mehr, als ich mir jetzt vorstellen konnte, aber ich wäre erleichtert, weil er mir die Entscheidung abnehmen würde.
Einer der Raucher ging vor mir ins Gebäude. Er hielt mir die Tür auf. Ich schüttelte den Kopf und bedankte mich. Als die Tür wieder zu war, nahm ich mein Handy und wählte Eoins Nummer.
»Ich weiß, es ist spät …«
»Geht’s dir gut?«, fragte er verschlafen.
»Ja. Aber ich würde gerne mit dir reden. Vielleicht morgen? Entschuldige, dass ich so spät…«
»Morgen? Warum nicht jetzt? Wo bist du?«
»Im Krankenhaus.«
»Warte am Eingang. Ich hol dich ab.«
Mein Herz,
warum tust du mir das an? Ich glaube nicht, dass du Colin liebst. Ich weiß, dass du mich liebst! Ich weiß, dass du mich immer noch liebst! Warum tust du uns das an? Deirdre, Geliebte bitte! Hör auf, dich mit ihm zu treffen. Lass uns wieder zusammen sein. Ich habe meiner Frau von dir erzählt. Sie hat mich nur kalt angesehen und gesagt: »Ich weiß es längst.« Sie lässt mich gehen -was hält uns also noch auf? Verlass ihn!
Was soll ich noch tun? Du lässt dich am Telefon von den anderen im Schwesternheim verleugnen. Du machst die Tür nicht auf. Du schickst deine Kolleginnen vor, um mich aus dem Krankenhaus zu vertreiben. Aber ich muss dich sehen, ich muss dich sprechen. Wie kann es sein, dass wir uns seit Alans Tod nicht mehr sehen? Die wenigen mageren Briefe, die du mir geschickt hast soll das wirklich alles sein?
Bitte, Deirdre. Sie lässt mich gehen! Ich bin frei! Aber was Bitte , Deirdre , Sie lässt mich gehen! Ich bin frei! Aber was soll ich mit meiner Freiheit, wenn ich dich nicht haben kann? Die ganzen Jahre, bevor ich dich traf, habe ich immer gedacht: Es muss doch noch mehr im Leben geben, das kann nicht alles gewesen sein. Eine Frau, die ich nicht liebe, Kinder, die irgendwann aus dem Haus gehen, und jeden Tag in den Pferdestall. Seit ich ein Kind bin, gehe ich jeden Morgen in den Stall. Das soll mein Leben sein?
Dann traf ich dich, und ich verstand endlich, worauf ich gewartet hatte.
Aber du willst mich jetzt nicht mehr, du wirfst alles weg, was wir hatten. Ich habe noch weniger als vorher, weil ich weiß, was ich verloren habe. Ich kann nie wieder glücklich sein, nicht einen einzigen Tag.
Ich weiß doch, dass du mich liebst. Warum also willst du mich nicht mehr?
M.
23.
»Tut mir leid, dass ich so heftig reagiert habe. Aber ich konnte nun mal nicht verstehen, dass du das Cottage verkaufen willst.«
»Und jetzt kannst du es verstehen?«
»Nein. Aber du versuchst nur, in Deirdres Sinn zu handeln, und das kann ich dir schlecht zum Vorwurf machen. «
Wir saßen im Garten der Pine Lodge. Gerry, der Wirt, überließ den Thekendienst heute seinen Angestellten und gesellte sich zu uns.
»Wie geht es Deirdre?«, fragte er ehrlich besorgt. Noch fünf andere Männer drängten sich hinter ihm und schauten mich mit ernsten Gesichtern an.
»Ihr Zustand ist stabil, und sie hat sich heute sogar ein klein wenig bewegt«, sagte ich.
Gerry und seine fünf Freunde strahlten vor Freude.
»Lasst uns reingehen und auf sie trinken!«, rief einer, aber ich protestierte: »Die Nacht ist viel zu schön, ich möchte noch ein bisschen draußen sitzen.«
Gerry nickte und gab seinen Freunden ein Zeichen, woraufhin sie verschwanden. »Deirdre ist sehr beliebt«, erklärte er. »Aber das weißt du sicher. Sie ist für jeden da, hat immer ein offenes Ohr, und wenn sie helfen kann,
dann hilft sie. Auf ihre ganz eigene, zurückhaltende Art. Drängt sich nie auf, steckt nie ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen, plaudert nichts aus. Weiß aber immer, wann sie gebraucht wird. Erstaunliche Frau. Wir beten alle für sie.«
Ich kam nicht dazu,
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