Liz Balfour
nicht so gerne auswandern wollen«, sagte ich, immer noch um Leichtigkeit bemüht.
»Das meine ich nicht.«
»Ich weiß. Und deshalb wolltest du mir Annie Moore zeigen?«
»Meine Geschwister und ich haben einmal einen Ausflug nach Cobh gemacht, ohne unsere Mutter. Wir standen genau hier, und mein Bruder Séamus sagte: ›Entscheidet euch, ob ihr hierbleiben wollt oder nicht. Wenn ihr bleibt, dann bleibt richtig. Wenn ihr geht, dann geht richtig.‹ Drei von uns entschieden sich zu gehen. Ich blieb. Wir trafen alle an diesem Tag unsere Entscheidung und lebten damit.«
»Warum ausgerechnet an diesem Tag?«
»Es wäre der vierzigste Geburtstag unseres Vaters gewesen. Séamus ging das sehr nahe. Uns allen, aber ihm am meisten. Er fand, wir wären es unserem Vater schuldig, etwas aus unserem Leben zu machen und dazu zu stehen. Konsequent sein. ›Dad wäre mit allem einverstanden, was wir aus unserem Leben machen, solange wir es nur richtig machen‹, sagte Séamus.«
»Na ja, sicher nicht mit allem«, sagte ich.
»Séamus hat einen Hang zur Pathetik«, sagte Eoin und lächelte. »Aber er hat uns sehr mit seiner Rede beeindruckt. «
»Was macht er heute?«
»Er ist Möbeldesigner in Toronto. Verdient sehr viel Geld und gewinnt viele Preise. Zweimal geschieden, drei Kinder.«
»Wow. Ist das nun sehr konsequent oder doch nicht so konsequent?«
»Sehr konsequent. Wenn man ihn kennt, versteht man das.«
»Und deine Schwestern?«
»Kay hat vier Kinder und ist Lehrerin in Auckland, und Fiona lebt mit ihrer Freundin in Johannesburg und arbeitet am Zoologischen Museum.«
»Und du hast konsequent den Familienbetrieb übernommen. «
Er nickte. »Ich wollte nie weg. Als ich hier mit den anderen drei stand, wusste ich es sofort. Sie sahen aufmerksam einem Schiff hinterher, das gerade aus dem Hafen lief. Ich drehte mich um und sah Irland.«
»Aber Séamus ist der Pathetische? Alles klar.«
Jetzt prusteten wir beide los.
»Ich versuche doch nur, dir ein bisschen mehr Begeisterung für dein Heimatland beizubringen«, sagte Eoin dann und fügte etwas zu ernst hinzu: »Scheint aber zwecklos.«
»Du gibst aber schnell auf«, tadelte ich.
»Ich kann dich schlecht zwingen, Emerald Cottage zu behalten.«
Mir klappte das Kinn runter, und mein Herz fühlte sich
für einen Moment ganz kalt an. »Du versuchst, mich mit rührseligen Geschichten um den Finger zu wickeln, damit ich das Cottage nicht verkaufe?« Wütend richtete ich mich auf, angelte nach meinen Krücken und humpelte, so schnell ich konnte, davon. Dieser blöde Bänderriss, fluchte ich innerlich, verdirbt mir einen halbwegs würdevollen Abgang. Ich hatte vorhin gesehen, dass der Bahnhof nur wenige Meter entfernt war. Wenn ich Glück hatte, fuhr ein früher Zug nach Cork, und ich musste nur zwei oder drei Stunden auf ihn warten.
Eoin schien kein Interesse daran zu haben, mich aufzuhalten. Ich kam nur langsam voran, aber er lief mir nicht hinterher, er rief mir nicht nach. Ich schaffte es an dem langen roten Backsteingebäude entlang bis zum Eingang, aber der war abgeschlossen.
»Um diese Zeit fahren keine Züge und keine Busse«, sagte Eoin. Er stand direkt hinter mir.
Erschöpft und missmutig drehte ich mich zu ihm um. »Aber ein Taxi werde ich bestimmt irgendwo auftreiben. Lass mich vorbei, du stehst mir im Weg.«
Er trat einen Schritt zur Seite. »Was soll das? Was hab ich denn falsch gemacht?«, fragte er.
Wortlos drehte ich mich von ihm weg.
»Ally, was ist los?«
Ich hob die Schultern. »Vergiss es. Ich finde es nur ein bisschen viel Aufwand, den du da betreibst, um mir den Verkauf auszureden. Man hätte fast denken können, du nimmst mich mit hierher und erzählst mir diese Geschichten, weil du mich magst.«
»Ich mag dich ja auch!«
»Ach so. Klar. Und wie weit wärst du gegangen, um
Jenkins zu verjagen? Hättest du mit mir geschlafen, nur um mich auf deine Seite zu ziehen?«
Jetzt war er es, dem das Kinn runterklappte. »Das traust du mir zu?«
»Bis vor fünf Minuten eigentlich nicht.«
Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein, Ally. Wenn es mir nur um Jenkins und seine alberne Ferienanlage ginge, hätte ich mich mit dir auf neutralem Boden getroffen, um sachlich zu diskutieren. Glaub mir.«
»Und warum hast du es nicht?«
»Weil ich dich mag.«
»Und warum erzählst du mir dann diesen ganzen Schwachsinn von Heimat und Suche und Irland und Dingen, die man richtig machen soll?«
»Weil ich glaube, dass das deine Themen sind. Das, was dich
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